Der heutige Tag wird wieder einmal von einer Bahnfahrt bestimmt. Beim Zugfahren merkt man erst, wie groß Russland eigentlich ist. Durch die vermehrten und kürzeren Zwischenstopps als 2009 kommt mir die Reise auch wesentlich anstrengender vor. Heute bin ich im Zug D 140NJ von Jekaterinburg nach Nowosibirsk unterwegs. Die Landschaft ändert sich nun kaum noch. Endlose Weite kombiniert mit vielen Birkenwäldern sind zu sehen. Leider werden Felder immer wieder großflächig abgebrannt, dann fahren wir durch eine stinkende Rauchwolke.
Der Zug Nr. 140 ist wieder ein “klassischer” russischer Zug. Die alte Waggons mit Holzverkleidung haben schon mehrere Jahrzehnte am “Buckel”. Keine Klimaanlage, kein inkludierter Bordservice. Eine Steckdose für Elektrogeräte im Abteil ist nicht vorhanden. Aber ich habe ohnedies keine Lust am Laptop zu arbeiten. Stattdessen interessiert mich das Buch Kultur Schock Russland* von Barbara Löwe viel mehr.
Jedoch werde ich ständig abwechselnd von verschiedenen Schaffnern unterbrochen. Zum fünften Mal muss ich nun schon meinen Reisepass vorweisen und immer wieder werden Daten daraus abgeschrieben. Anscheinend dreht sich die Diskussion um die Schlafwagen-Reservierung, die ich für den Zug bei der ÖBB gekauft habe.
Inhalt:
Ein großer Schritt für Touristen…
…scheint meine Fahrt mit dem Zug D140NJ durch Russland zu sein. Die beiden Provodniks stehen wieder in meiner Tür. Sie heißen Vlad (Vladislav) und Ulan und sprechen ein bisschen Englisch. Vlad ist gerade “im Dienst” während Ulan in privater Kleidung und nacktem Oberkörper in meinem Abteil steht.
Sie beginnen mich auszufragen. Aus welchem Land ich sei und wohin ich fahre. Ich bin ein bisschen skeptisch, da ich diese ausführlichen Fragereien eigentlich nicht mag. Aber ich bleibe dennoch freundlich. Dann kommen noch Fragen zum Fotografieren. Habe ich etwa etwas fotografiert, was ich nicht darf? Man kennt ja die Empfindlichkeiten der Russen, dassnicht alles im Land fotografiert werden darf. Und ich habe die letzten Tage sehr viel fotografiert – vor allem Dinge, die die Eisenbahn betreffen.
Bei der Frage, ob ich Tourist bin, drehe ich den Spieß um und beginne selbst zu fragen und auszuloten wo hin die Diskussion führen soll. Es stellt sich heraus, dass sich in diesen Zug nur selten Touristen verirren. Ich sei der erste Tourist, den sie hier sehen.
Die beiden entschuldigen sich, dass der Zug so alt ist. Er er sei “Made in Germany” (damalige DDR). vom Beginn der 1980er Jahre. Außerdem hätten sie noch nie ein Ticket der ÖBB gesehen und seien etwas verunsichert.
Etwas später kommen beide nochmals zu mir ins Abteil. Sie haben ein Geschenk für mich dabei: Eine Anstecknadel der Russischen Eisenbahn, wie sie auch die Schaffner tragen. Ich bin verblüfft, hin und weg und freue mich wie ein kleines Kind. Tolle Sache – vielen Dank :-)
Kulturschock Russland lesen
Zwischen den Gesprächen mit Ulan und Vlad lese ich in meinem Kulturschock Russland Buch weiter. Eine interessante aber nicht allzu schwere Lektüre, um der Russischen Seele ein bisschen auf den Zahn zu fühlen. Um Punkt 16 Uhr bin ich gerade am Lesen.
Draussen die immer gleiche Landschaft: Birken, weite Felder und gelegentlich kleine Siedlungen. Alle paar Stunden eine Stadt. Wir sind 20 Minuten vor Tjumen, 2.144 Kilometer von Moskau entfernt.
Aktueller Stand um 16 Uhr:
Ort: 20 Minuten vor Tjumen
Land: Russland
Wetter: sonnig, zwischen 25 und 30 Grad.
Zeitverschiebung:
Zur Mitteleuropäischen Sommerzeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz beträgt der Zeitunterschied in Tjumen + 4 Stunden. Steht in Tjumen die Uhr auf 16 Uhr ist es in Mitteleuropa erst 12 Uhr.
Die kommende Nacht werde ich hier verbringen:
Im Zug 140NJ Adler – Nowosibirsk.
h.rogra says
@Provodniks Ulan und Vlad
ulan: slim. but sixpacked.
und: glückwunsch zur ehrennadel!
Sonja says
2 kesse burschen *gg*.
auch gratulation zur anstecknadel.
schönes geste von den beiden.
Andersreisender says
h.roga: Sogar ziemlich Sixpacked – davon kann ich nur träumen. ;-) Den Anstecker finde ich echt super!
@Sonja: Da bin ich ganz Deiner Meinung :-)