Eine Reise durch China ist – trotz eines starken Trends zum westlichen Lebensstil – eine Reise in eine völlig andere Kultur. Hat man mitten in der Einkaufsstraße Nanjing Road in Shanghai das Gefühl in einer Weltstadt zu sein, so kann dieser Eindruck in der nächsten Seitengasse sofort wieder schwinden. Ganz zu schweigen von anderen Städten in China. Viele Millionenstädte sind auf den zweiten Blick extrem provinziell. Aber ist es nicht genau das, was wir auf einer China-Reise suchen? Das Andere, das Besondere und auch das Fremde?
Ich wurde im einen oder anderen Buch zur Reisevorbereitung für China ja bereits vorgewarnt – und trotzdem trifft es mich während einer China-Reise immer wieder überraschend: Hier sind meine neun persönlichen Dinge, die mir bisher nicht nur einmal auf meiner Chinareise passiert sind. Und ich bin mir sicher, dass Dir bei Deiner Reise auch die eine oder andere Situation bekannt vorkommen wird:
Inhalt:
- 1. Der Klassiker: Dass Du in die falsche Richtung geschickt wirst
- 2. Dass Du ignoriert oder umwuselt wirst
- 3. Dass Du zum Fotostar wirst
- 4. Dass Dir jemand vor die Füße spuckt
- 5. Dass Dich ein Taxifahrer…
- 6. Dass Du am Markt etwas kaufen möchtest…
- 7. Dass Dir im Restaurant…
- 8. Dass Du über Fakeprodukte…
- 9. Dass Du bei der Aussprache des Namen Deines eigenen Landes…
- Viele Möglichkeiten für den Tritt ins Fettnäpfchen
1. Der Klassiker: Dass Du in die falsche Richtung geschickt wirst
Chinesen haben oft Angst Dir keine Antwort auf Deine Frage geben zu können. Und bevor sie Dir gar keine Antwort geben, erhältst Du eine ausweichende oder falsche. Ich bin oft bei der Frage nach dem Weg anschließend in die falsche Richtung gerannt. Mittlerweile entwickle ich ein Gespür dafür, dass sich jemand nicht auskennt und nur höflichkeitshalber in “irgendeine” Richtung weist.
2. Dass Du ignoriert oder umwuselt wirst
Es gibt Provinzen in China, dort werde ich als Europäer weitestgehend ignoriert. Und es gibt Provinzen, in denen werde ich ständig umwuselt und mit einem lauten “Helloooooo” begrüßt. Sowohl die eine als auch die andere übertriebene Art ist Ausdruck der Unsicherheit gegenüber Ausländern.
3. Dass Du zum Fotostar wirst
Eine Fortsetzung des lauten “Hellooooo” ist die Bitte um ein Foto. Zuerst setzt sich nur ein Mädchen aufgeregt für den gestatteten Fototermin zu mir. Dann das zweite. Dann trauen sich auch die anderen. Fotoapparate, Handies und iPhones werden gezückt und ausgetauscht und es wird fleißig abgedrückt.
Wenn alle Mädels durch sind trauen sich auch die Burschen. Einser – Zweier – Dreiergruppe – alles ist dabei. Und natürlich auch das Victory-Zeichen. Ganz wichtig!
Auf wievielen Chinesen-Fotos mit Victory-Zeichen ich zu sehen bin? Sind es 100 oder 200 innerhalb von eineinhalb Monaten? Oder gar 300? Keine Ahnung – ich habe aufgehört zu zählen.
Bei meinem Live-Video 2017 in Peking wurde ich auch spontan zum Foto-Termin gebeten. Die lustige Situation kannst Du ab Minute 7:40 sehen.
4. Dass Dir jemand vor die Füße spuckt
Versehentlich natürlich. Zwar entschuldigen sich die spuckenden Damen und Herren danach nicht, aber sie meinen es keinesfalls böse. Denn das geräuschvolle Emporholen von Schleim aus den Bronchien ist überall üblich. Das Produkt wird unmittelbar auf den Fußboden befördert und das nicht nur im Freien.
Ob die verschleimten Lungen mit der manchmal kratzenden und beißenden Luft in den Städten in einem Zusammenhang stehen? Den Spaß am geräuschvollen Massensport verderben in China immer mehr Schilder mit der Aufschrift “Spucken verboten”. Gemein, oder?
5. Dass Dich ein Taxifahrer…
…erst mit einem lauten “Hellooooo” zu sich heranwinkt und Dich dann nach kurzer Diskussion wieder vor die Taxitüre setzt, da er Dein Fahrziel nicht kennt.
Manchmal muss man den Taxifahrer dann zu seinem Glück zwingen (um endlich weiter zu kommen). Im Extremfall in der Stadt Zhangjiajie haben mir nicht einmal eine Adresse in chinesischer Schrift, eine Landkarte von Google Maps, die chinesische Landkarte des Taxifahrers und die Telefonnummer des Hotels geholfen. Wir waren bereits in der richtigen Straße und der Taxifahrer bog wieder falsch ab. Ein Fall von DAT (Dümmster anzunehmender Taxifahrer). Wohlgemerkt: Der Fahrpreis wurde bereits vor der Fahrt fixiert.
6. Dass Du am Markt etwas kaufen möchtest…
…und die Verkäuferin, den Kürbis eng umschlungen, auf ihrem Marktstand schläft. Wecken wollte ich die Dame in einem kleinen Shanghaier Markt dann auch nicht.
In China wird übrigens auch in anderen Situationen in der Öffentlichkeit geschlafen. Die Arbeit bei der Eisenbahn ist anstrengend. Gottseidank gibt es einen Speiswagen für ein kleines Nickerchen.
7. Dass Dir im Restaurant…
…die Kellnerin plötzlich ein Handy ans Ohr drückt. Dran ist ihre kleine Nichte die mit Dir ein paar Worte Englisch sprechen möchte.
Die Alternative: Aus einem benachbarten Geschäftslokal wird ein junges Mädchen von ihrem Vater herangezerrt. Etwas peinlich berührt fragt sie mich in Englisch nach meinem Namen. Ich antworte und frage nach ihrem. Ein unsicherer Blick, eine knappe Antwort und dann läuft die Kleine weg. Ebenso unangenehm ist es für den Vater, der nun alleine vor meinem Tisch steht. Englisch sprechen kann er nicht. Da hilft nur lachen und ebenfalls davonlaufen.
8. Dass Du über Fakeprodukte…
… herzhaft lachen musst. China ist führend in der Produktion von Markenfälschungen. Manchmal sind die gefälschten Produkte so gut verarbeitet, dass sie nur schwer vom Originalprodukt zu unterschieden sind. Ein Hinweis, dass es sich um eine Fälschung handeln könnte, ist der sehr günstige Preis.
Manchmal verrät aber auch schon der Markenname, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht darf man gar nicht von “Fake” sprechen wenn aus einem Kawasaki-Motorrad eine Keweseki-Maschine wird? Die Keweseki Motorräder sind in China weit verbreitet. Sie teilen sich die Straßen mit Motorrädern anderer bekannt klingender Hersteller wie Honyo und Susiki.
9. Dass Du bei der Aussprache des Namen Deines eigenen Landes…
…nach eineinhalb Monaten Chinareise noch immer korrigiert wirst. Das Wort “Audili” für Österreich klappt bald schon ganz. Es erspart die Diskussion, dass ich nicht aus dem Land mit den Kängurus komme. Trotzdem merke ich schnell, dass über mich gesprochen wird. Oder wird etwa über meine Chinesisch-Kenntnisse gelästert? Dumm nur, wenn sie zehnmal das gleiche Wort wiederholen, das ich gerade vorhin gesagt habe.
Die größte Schwierigkeit ist die Tonlage der einzelnen Wortteile. Für jede Silbe gibt es vier verschiedene Möglichkeiten sie auszusprechen. Im schlimmsten Fall heißt das Wort dann viermal etwas anderes.
Die Bestellung von Bier auf Chinesisch ist für mich eine besondere Herausforderung. Ich bin mit den unterschiedlichen Tonlagen am Experimentieren. In jeder Region scheint das Wort “Pijiu” anders ausgesprochen zu werden. Gottseidank gibt es fast überall in China Tsingtao-Bier. Das erleichtert im Ernstfall die Kommunikation.
Viele Möglichkeiten für den Tritt ins Fettnäpfchen
Der Kulturschock auf einer China-Reise findet sicherlich auf beiden Seiten statt. Während ich die geräuschvolle Spuckerei auf den Straßen ekelhaft finde mag so mancher Chinese gerüchteweise bei meiner Schneuzerei während eines nicht enden wollenden Schnupfens die Nase rümpfen (auch wenn mir eine Dame aus Hongkong nun gegenteiliges bestätigt hat).
Auch beim Essen in China begehe ich wahrscheinlich so manchen Fauxpas, der dem Touristen grozügig verziehen wird. Und bestimmt gibt es für den “Laowei” – also den Ausländer – noch viele andere Möglichkeiten, um in China ins Fettnäpfchen zu treten.
Lust auf mehr? Hier findest Du viele weitere Reiseberichte und Reisetipps für China.
Dieser Beitrag wurde erstmals am 17. Oktober 2010 während meiner China-Reise veröffentlicht und am 20.8.2017 überarbeitet und ergänzt.
Sven says
Das ist sicher auch der Grund, warum Chinesen, sollten sie selbst einmal als Touristen unterwegs sein, sich ständig hinter Fotoapparaten verstecken. Mit der Vorgabe ständig beschäftigt zu sein, kann man schließlich in keine Fettnäpfchen treten. Naja, ist nur so ‘ne Theorie… ;-)
Witzig, was da alles passieren kann. Aber macht das nicht auch mit den Reiz einer jeden Reise aus?
Viel Spaß weiterhin.
Greets
Sven
Andersreisender says
@Sven: Ohne Fettnäpfchen wäre eine Reise ja wirklich fad und man würde nichts dazulernen. Wie Du richtig sagst, das Fremde ist doch einer der tollsten Reize einer Reise. Beste Grüße :-)
rrhase says
Also ich habe da auch ganz andere Erinnerungen an China. Ich kann mich erinnern in Peking in einen Bus einsteigen zu wollen, der zur Chinesichen Mauer fuhr. Neben mir (damals mit einem Briten zusammen) stand auch eine junge Frau offensichtlich hoeherne Standes. Als diese mitbekommen hat, das auch wir in diesen Bus einsteigen wollten, hat sie einen derartigen Aufstand gemacht, das wir dann doch erst mit dem naechsten Bus gefahren sind. Wir haben dann erfahren, dass sie sich strikt geweigert hat mit uns Auslaendern (Ich meine die Chinesen hatten damals einen Begriff fuer Auslaender der so viel wie “weisser Teufel” bedeutete)in einem Bus zu sitzen. Ich habe da mal kennengelernt wie es ist Opfer von Rassismus zu werden.
Mag sich ja in den letzten 20 Jahren geaendert haben. Damals fand ich das ziemlich schockierend. Hat mein Bild von China nachhaltig gepraegt.
Gruss RR
Andersreisender says
@rrhase: Das ist ja wirklich sehr interessant, was Du hier erzählst. Gottseidank hatte ich auf Reisen bisher keine Probleme mit Rassismus – zumindest hab’ ichs nicht mitbekommen.
In China – und auch anderen kommunistischen Staaten – war es doch früher oft verboten, mit Ausländern zu intensiven Kontakt zu pflegen. Vielleicht hat sie deshalb ein bisschen überreagiert? Wobei die gemeinsame Benützung der Öffentlichen Verkehrsmittel damals meines Wissens kein Problem war…
rrhase says
Ich denke mal, die Zeiten haben sich auch in China veraendert.
China war auch nicht das einzige Land in dem ich offenem Rassismus begegnet bin. Ich manchen Laendern Europas koennte ich es ja noch verstehen. Denen haben wir viel Unrecht angetan. Aber bei China war das was besonderes.
Weiterhin eine schoene Reise und in Gedanken bin ich immer dabei.
Gruss RR
Andersreisender says
@rrhase: Hmmm…ist Rassismus nicht generell etwas Irrationales? Ich denke nur daran, dass zB. Schwarze in China nicht gern gesehen sind. Und nicht nur dort – und sie haben eigentlich niemandem etwas getan.
Sven says
Mmh… ich denke, Rassismus kann etwas Irrationales sein, lässt sich aber meist sehr rational erklären. Es ist schlichtweg die Angst vor dem Fremden, vor Dingen die man nicht kennt, vor Menschen, die man in ihrer äußeren oder religiösen Eigenart vorher noch nie gesehen, sich gedanklich noch nie mit ihnen auseinandergesetzt hat.
Begründet wurde der Begriff ja schließlich auf die im 20. Jahrhundert aufkeimenden Rassentheorien, die genau an solchen Merkmalen versuchten, Unterschiede herauszustellen, um die eigenen Attribute zu sichern, zu stärken und letztlich die eigene Gemeinschaft – in Abgrenzung zum Fremden – zu festigen. Der vorerst letzte Höhepunkt dürfte jedem aus dem Schulunterricht bekannt sein.
Viele sind damit in einer immer enger zusammenwachsenden Welt schlichtweg überfordert. Egal ob Chinesen, Afrikaner oder Europäer (auch hierzulande keimt ein “neuer” Rassismus auf): in ihrer Unsicherheit dem Fremden gegenüber sind alle gleich.
Nur wenige haben den Mut und stellen sich dieser Angst. Aber dafür bereisen sie dann auch Länder, die den Ängstlichen verschlossen bleiben werden. ;-)
Beste Grüße
Sven
Andersreisender says
@Sven: Danke für Deinen tollen Kommentar – da kann ich nur sagen: Menschen sollen reisen, reisen, reisen!
Sven says
@Andersreisender: Dem schließe ich mich 100%ig an. Gibt es da nicht auch dieses Sprichwort, das da sagt: im Reisen begegnen wir uns letztlich doch immer wieder selbst?
Wünsch Dir weiterhin viel Spaß auf Deiner Reise und noch viele tolle Abenteuer.
Beste Grüße
Sven
Andersreisender says
@Sven: Dankeschön! :-)
Olli says
Hi Gerhard,
Es macht mir total viel Spaß, deinen Blog zu lesen. Ich mag Deinen Schreibstil total gerne. Vor kurzem war ich auch in China. Mein persönlicher Eindruck ist es, dass sich jedes einfache Wort in Mandarin zu lernen lohnt. Ich bin verblüfft von der hilfsbereitschaft der Chinesen, mir beim Mandarin zu helfen. Sobald man auch nur ein paar Sätze sprechen kann, finden die meisten Menschen dass man ja angeblich total gut Mandarin sprechen könnte. :D
Daher empfele ich Chinareisenden, die noch ein bischen Vorbereitungszeit haben, über Tandempartners, Italki oder ein gutes Buch noch ein paar Sätze aufzuschnappen.
Ich mag den Ausdruck DATs irgendwie nicht so gerne. Wieso bezeichnen irgendwelche Menschen die Taxifahrer als dumm, nur weil sie das Ziel nicht kennen? Ich habe z.B. mal in Peking einem Taxifahrer misstraut, da ich den Weg zu Fuß kannte aber er eine andere Route gefahren ist. Letztendlich wusste der Taxifahrer jedoch besser als ich, wie der Autoverkehr läuft. Über den Weg, den ich kenne, hätte man gar nicht kommen dürfen. Naja, das schließt natürlich nicht aus, dass Fehler auf aller Welt passieren können.