Die Backwaters in Kerala sind ein beliebter Stopp bei Reisenden. Ganz anders als im Süden sind in den nördlichen Backwaters keine Hausboote unterwegs.
Die Valiyaparamba-Backwaters im Norden von Kerala sind eine ruhige Gegend. Eine beschauliche Bootsfahrt in den Sonnenuntergang.
Eigentlich will ich mir nur einen Überblick über die Bootsverbindungen ab Payyanur verschaffen, da hat mich Asin auch schon fest im Griff. Ich muss unbedingt zur Sunset-Tour mitkommen, meint der schnauzbärtige Inder. Erst wehre ich mich, ist es doch schon kurz vor 18 Uhr und in einer Stunde ist es komplett finster. Dann gebe ich dem Familienvater aber nach. Ich brauche keine Angst zu haben, er sei der „Forest Officer“ in der Region. Um seine Autorität zu unterstreichen zeigt er mir seinen Ausweis.
Nein, Angst habe ich keine. Aber in der Finsternis mit dem Boot zu fahren ist vielleicht langweilig. Wenn man nichts sieht.
Was soll’s – ich habe heute, außer dem Abendessen, nichts Besonderes vor. Rauf auf den Holzkahn und schon legen wir ab. Eine handvoll Passagiere fahren von Kotti aus mit in den Sonnenuntergang.
Wäre nicht der Lärm des Motors könnte man vermutlich kaum ein Geräusch hören. In den Valiyaparamba Backwaters ist es ruhig. Immer wieder biegen wir in einen Seitenkanal, dann führt die Fahrt wieder über Seeflächen. In dem scheinbar endlosen Netzwerk aus Kanälen und Seen mischen sich Salz- und Süßwasser.
Zwischen den Palmen, die wie auf einer Perlenschnur aufgefädelt sind, blinzelt die tief stehende Sonne hindurch. Die Bäume wiegen nur auf einem schmalen Grat im Wind, dahinter schlagen die Wellen des Arabischen Meers ans Ufer.
Vor uns taucht in der Dämmerung ein Pylon am Ufer auf. Daran hängen Seile schräg ins Wasser, wie von einer eingebrochenen Hängebrücke. „Bridge finished“ ruft mir Asin ins Ohr und unterstreicht seine Worte mit einem flachen, waagerechten Handzeichen. Die Brücke sei erst vor kurzem zusammengebrochen.
Pandyala, Hayyil und Mekr – die ersten Namen der Anlegestege kann ich noch lesen, dann umgibt das kleine Boot nur noch die Nacht. Der Kapitän leuchtet mit einem Scheinwerfer das Ufer ab um den nächsten “Boat Jetty” zu finden. Kleine Feuer markieren die Positionen der schmalen Fischerboote, die nun im Einsatz sind. Am Ufer ist es finster.
Bei einem Steg kommt dann Unruhe am Boot auf. Fast alle Passagiere steigen aus, ich springe auch auf die kleine Betonplattform. Um die letzte Fähre zurück nach Kotti zu erreichen müssen wir drei bis vier Stationen vor der Endstation in Ayitti raus. Abendrundfahrten mit dem Schiff in den Backwaters sind anscheinend beliebt.
Die Fähre legt wieder ab, der Lichtkegel des Suchers wird immer kleiner. Wir zehn Passagiere stehen in absoluter Finsternis am kleinen Anleger. Die Kante ins Wasser ist nicht zu erkennen, ich wage keinen Schritt nach vorne. Über uns leuchten die Sterne, den Orion erkenne ich aus den vielen Sternbildern als ersten heraus.
„Where are you from?” höre ich eine Stimme an meinem Ohr. Die klassische Frage in Indien. Den Fragenden sehe ich nicht. „I am from Austria“ antworte ich routiniert. Stille. Ein weiterer Fahrgast kommt mit einer Taschenlampe zum Steg, nun werden auch die Menschen um mich im fahlen Licht wieder sichtbar. Frauen mit Kindern am Arm. Ein alter, gebrechlicher Mann mit seiner Familie. Und der wissbegierige 20jährige in Jeans neben mir.
Ein eigenartiges Gefühl auf einem Steg „in the middle of nowhere“ mit einer Hand voll Indern in der Finsternis zu stehen. Wenige Minuten Ruhe im lauten Indien, ich kann das Blut in den Ohren rauschen hören. Bald ist in der Ferne ein ratternder Motor zu hören, kurz darauf erscheint der Lichtkegel der Fähre.
Durch die stockfinstere nacht bringt sie uns wieder zurück nach Kotti. Nur da und dort ist das Licht eines Fischers auf den weiten Seen zu sehen.
Tipps für die Sunset-Tour in den Valiyaparamba Backwaters:
- Der Fähranleger in Kotti ist ca. 10 Minuten zu Fuß vom Bahnhof Payyanur entfernt. Kurz vor dem Riverview Residency Hotel schräg nach links abbiegen, dann gleich wieder rechts und immer geradeaus. Die kleine Straße ist etwas schwer einsehbar.
- Ab Kotti fährt die letzte Fähre um ca. 17:45 Uhr ab. Tickets werden am Boot verkauft, nach Ayitti kostet es 12 Rs.
- Fahrzeit hin und retour ca. 2,5 bis 3 Stunden.
- Nicht bis zur Endstation fahren um die letzte Fähre zurück nach Kotti/Payyanur zu erreichen. Auf der Fähre nachfragen, wo man für den „Roundtrip“ aussteigen muss (nach ca. 75 Minuten Fahrzeit).
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Claudi um die Welt says
Und wieder was gelernt, ich wusste nicht, dass die Hausboote nur im Süden kreuzen! Bleibt ein Traum von mir, vorerst ;) Übrigens, du hättest mit “Europe” anworten sollen, dann hätte sich sicher ein Schwatz ergeben :D
LG und bis bald!
Claudi
Andersreisender says
Bisher hatte “Austria” auch immer schon gereicht. Entweder kam gleich die nächste Frage oder ich konnte klarstellen, dass in Austria keine Känguruhs umherhoppeln. :-)
Walter says
in Austria gibt es bestimmt auch irgendwo Känguruhs
Alex says
Also, da lobe ich mir doch festen Boden unter den Füßen! ;) Hut ab, für mich wäre es wohl eher nichts gewesen. Aber dennoch schöne Fotos von unterwegs. Und zu Austria… dachte da auch gleich, dass das sicherlich hier und da als Australia durchgeht! ;)
Andersreisender says
– Walter: Im Zoo habe ich schon welche gesehen. :-)
– Alex: Oh ja! Austr(ali)a-Probleme stehen bei mir an der Tagesordnung. Wobei es in Indien noch relativ gut funktioniert. In Südostasien war es viel schwieriger. Übrigens: Bist Du nicht gerne am Wasser unterwegs?
Jürgen Koller says
Also wo du schon überall warst & was du gesehen hast – echt beeindruckend :) Übrigens auch sehr schön geschrieben, bekommt man ein gutes Gefühl wie’s wirlich war.
Andersreisender says
Jürgen: Ich freue mich, dass Du mit mir “virtuell” verreist. Ja, das “Weltenbummeln” macht Spaß. :-) Aber ich bin auch gerne zwischendrin zu Hause. Vermutlich macht’s der Wechsel aus…