Eigentlich möchte ich im Augenblick “meinen” Strand in Goa überhaupt nicht verlassen. Zu entspannt ist hier die „Work-Life-Balance“.
Manchmal kann man mich hier aber doch weglocken. Zum Beispiel zu den den Dudhsagar Wasserfällen, die spätestens seit dem Bollywood Movie “Chennai Express” bekannt sind.
Eisenbahn und Wasserfall? Eine für mich interessante Mischung. Also auf nach Collem!
Um 6:30 Uhr klappt die Anreise von Canacona sogar mit dem Zug. Einmal in Margao umsteigen und die beschauliche Fahrt zwischen Lagunen und Reisfeldern nach Kulem (Collem) geht weiter.
Von Collem geht’s dann mit dem „Jeep“ weiter zum Wasserfall. Wir teilen uns den Geländewagen zu sechst: Meine Reisebegleiterin Martina, zwei indische Familien und ich.
Ich bin etwas unruhig und stehe unter Zeitdruck. Die Dudhsagar Wasserfälle beeindrucken schon allein durch ihre Gesamthöhe von 310 Metern. Eine Eisenbahnbrücke, die den Wasserfall quert, macht das Bild aber noch interessanter.
Und wie sieht’s am interessantesten aus? Richtig: Wenn ein Zug drüber fährt. Laut meinem Fahrplan soll das gegen 10:35 Uhr passieren.
Kaum abgefahren legen wir bei der ersten Wasserüberfahrt den ersten Fotostopp ein. Nein, bei ständigen Stopps wird das nichts mit meinem Bahnfoto auf der Brücke über die Dudhsagar Wasserfälle.
Als die beiden Familien zurück kommen frage ich, ob sie auch ein Bild vom „Chennai Express“ auf der Brücke haben möchten? Die Augen des Mannes neben mir beginnen zu funkeln. Klar kennt er „Chennai Express“, den Bollywood Film. Teile des Films wurden am Wasserfall und auf der Brücke gedreht. Der Mann aus Mumbai beginnt gleich zu singen und im Takt wippen: „Chennai-ai-ai-ex-press!“ Im Bollywood-Movie ist die Szene auf der Brücke eine Schlüsselstelle, die beiden Hauptfiguren Rahul (
) und Meena ( ) steigen auf der Brücke aus dem Zug aus und treffen auf Meenas Gangstervater.Einmal in der Woche fährt er durch die Westghats und den Wasserfall, der Chennai Express. Genau genommen ist es der „Chennai – Vasco Express“, weil er ja Richtung Vasco da Gama fährt. In die Gegenrichtung passiert der Zug jeden Donnerstag gegen 16:20 Uhr die Brücke. Es ist nicht der einzige Chennai-Express in Indien, viele Züge, die das ehemalige Madras mit anderen Städten verbinden, heißen so.
Jedenfalls motiviert die Aussicht auf ein Foto mit dem Chennai Express meine Mitreisenden und unser Fahrer zeigt, dass er mit seinem Geländewagen gut umgehen kann. Auf der rumpeligen Straße staubt die rote Erde, das Wasser spritzt bei den Flussdurchfahrten und wäscht die Reifen wieder sauber.
Dann ist der Wasserfall von weitem zu sehen, es ist schon nach 10:30 Uhr. Das letzte Stück zum Wasserfall, mit ca. 10 Minuten Gehzeit beschrieben, muss zu Fuß zurück gelegt werden. Ich sprinte los, das Hupen der Lokomotive ist bereits zu hören.
Ich überhole indische Reisegruppen, die bereits ihre roten Schwimmwesten festgeschnallt haben. Sie sind hier für jeden Pflicht, in den letzten Jahren sind einige Besucher im See ertrunken. Hauptsächlich Inder, die wenigsten von ihnen können schwimmen.
Russische Touristen sind, nach den Indern, zweitstärkste Besuchergruppe beim Wasserfall. Sie können schwimmen, darum lassen die Frauen die Schwimmwesten von ihren Männern tragen. Die plumpen Westen passen nicht zum Schönheitsideal der jungen Damen, sie zerstören das Gesamtbild von hautengen Tops, kurzen Pants, perfekt gekämmten Haaren und Makeup.
Jetzt muss ich nur noch an den Affen vorbei, die sich über Futter von den Touristen freuen. Das Hupen wird lauter, werde ich’s noch rechtzeitig schaffen?
Am Eingang wird darauf hingewiesen, dass Bananen im Park verboten sind. Offensichtlich halten sich die wenigsten Besucher daran oder verstehen das Englisch des Tourguides einfach nicht.
Ein Affe sitzt im Baum und frisst genüsslich eine Banane. Der eine versucht dem anderen die Banane abspenstig zu machen und beginnt am Ast zu rütteln. Kreischen, Zähne zeigen. Der gerüttelte Affe hält sich mit einem Arm fest und versucht die Banane so schnell wie möglich zu verdrücken.
Rutschige Bananenschalen sollten mir die Affen jetzt nicht in den Weg legen. Es ist ja aus Comics bekannt, was bei einem unbedachten Tritt auf den gelben Abfall passiert.
Das Hupen der Lokomotive ist jetzt ganz nah und der Wasserfall ist schon in Sicht. Ich trete aus dem schmalen Dschungelweg auf die Felsen des Wasserfalls, in dem Moment ist auch schon die Lokomotive in Sicht.
Ich habe keine Zeit mir über den Bildaufbau Gedanken zu machen und halte die Kamera drauf. Um 10:37 Uhr rollt der “Chennai Express” langsam auf die Brücke über die Dudhsagar Wasserfälle.
Jetzt, im Januar, führen sie schon weniger Wasser. Im Laufe der Trockenzeit nimmt die Wassermenge immer weiter ab.
Besonders spektakulär muss hier der Besuch zur Monsunzeit sein, wenn ein breiter Strom den Hang hinunter schießt und die Brücke in eine feuchte Wolke hüllt.
In Konkani, der Sprache, die in Goa gesprochen wird, bedeutet Dudhsagar Milchsee. Wie ein weißer Schleier legt sich das Wasser über die schwarzen Felsen, der Zug auf der Brücke scheint den Wasserschwall wie ein blaues Band einzuengen, bevor er wieder auseinanderfließt.
Kein Wunder, dass diese Landschaft auch Filmproduzenten beeindruckt und als Kulisse für eine romantische und rasante Bollywood-Actionkomödie quer durch Südiendien dient. Dem „Chennai-ai-ai-ai-ai-ai-ai-ai Chenn-a-ai Express“. Get on the train, Baby!
Der komplette Film von “Chennai Express” mit hier erhältlich*.
in Deutsch ist übrigensTipps für einen Besuch beim Dudhsagar Wasserfall in Goa:
- Der „Chennai Express“ ist immer am Samstag zu fotografieren und passiert die Brücke planmäßig gegen 10:35 Uhr. Es gibt weitere Passagierzüge, die die Brücke tagsüber passieren.
- Anreise ab Margao (Madgaon) zu den Wasserfällen ist mit dem Zug z.B. zu folgenden Zeiten möglich:
Ab Madgaon um 7:50 Uhr (Di, Do, Fr, So) bzw. 8:15 Uhr (täglich)
an Kulem um 8:20 Uhr bzw. 9:05 Uhr - Rückfahrt:
Ab Kulem um 12:20 Uhr (tgl.), 13:00 Uhr (Mo, Mi, Do, Sa) bzw. 17:15 Uhr (tgl.)
an Madgaon um 13:10 Uhr, 13:55 Uhr und 18:08 Uhr - Anreise/Rückreise per Bus von Margao nach Collem mit Umsteigen in Sanguem. Die Bushaltestelle in Collem befindet sich im Zentrum, vom Geländewagenverleih gesehen die nächste Parallelstraße westlich. Reisezeit Collem – Margao ca. 2 Stunden, die Busse Sanguem – Margao halten auch direkt an der Durchzugsstraße vor dem Bahnhof in Margao. Fahrplan unbekannt.
- Geländewagen mit Fahrer können im Zentrum von Collem, auf der gegenüberliegenden Seite des Bahnhofs (über die Fußgängerbrücke gehen), gebucht werden. Der – unfreundliche – Manager stellt Gruppen zusammen, damit Alleinreisende und Paare mit anderen zusammen reisen können.
- Laut Fahrer ist die Fahrt bis zur Brücke über die Dudhsagar Wasserfälle auch mit dem Zug möglich, jeder Zug hält einige hundert Meter vor der Brücke. Ich hab’s nicht selbst ausprobiert – daher Information nicht gesichert!
- Die Wasserfälle zählen zu den beliebten Sehenswürdigkeiten in Goa, es werden auch Tagestouren mit weiterem Programm angeboten.
An Kosten für diese Sehenswürdigkeit einzuplanen:
- 2.400 Rupien für den Geländewagen (400 Rupien bei 6 Personen im Fahrzeug)
- 30 Rupien für die Schwimmweste (verpflichtend)
- 20 Rupien Eintritt in den Park
- 30 Rupien für eine Fotokamera; Smartphones kosten nichts
- 150 Rupien für eine Videokamera
Hier geht’s zur Übersichtsseite Reiseberichte und Reiseinformationen Indien.
Alex says
Es gibt doch nichts besseres, als solche Artikel mit schönen Fotos zu unterlegen. Nichts gegen deine Texte, aber die Fotos stechen halt jedesmal heraus. :) Vor allem für die Leser, die noch nicht dort waren, macht es das ganze noch interessanter und man bekommt gute Eindrücke. Wie immer, Danke! :)
Stefan says
Hallo Gerhard,
das sind wirklich schöne Fotos. Am besten gefällt mir das mit dem Zug auf der Brücke. Ich liebe Bahnfahren in Indien und habe auch schon ganze Tage und Nächte auf den harten Pritschen in den blauen Wagons verbracht.
Viel Spaß noch in Indien!
Viele Grüße
Stefan
Walter says
Immer am Strand – Deine Leser wollen was von Indien sehen :-)
Andersreisender says
– Alex: Dankeschön! Ich freue mich, dass Du immer “live” bei meinen Reisen mit dabei bist. :-)
– Stefan: Danke Dir! Ja, Bahnfahren in Indien ist wirklich etwas ganz besonderes. Ich freue mich schon, wenn ich in den kommenden Tagen dann über die Brücke drüber fahren und von dort hinunter schauen darf. :-)
– Walter: Work-Life-Balance halt, aber keine Sorge: Bald geht die Reise durch Indien weiter!