Samstag, 18. Juli 2009
Siebzig Minuten später als geplant treffen wir am Bahnhof Bucuresti-Nord bei brütender Hitze ein. Einen Nachmittag haben wir Zeit die Hauptstadt Rumäniens zu erkunden, bevor wir am Sonntag Früh unsere Reise ins Donaudelta fortsetzen. Erst werden noch die Fahrscheine für die Weiterfahrt besorgt. Anscheinend gibt es am Bukarester Hauptbahnhof (Offiziell Bucuresti Nord) unterschiedliche Schalter für die unterschiedlichsten Fahrkarten. Wir und ein französisches Backpacker-Paar fragen uns zum richtigen Schalter durch, dann geht’s mit der U-Bahn zum bereits reservierten Hostel.
Mit der Metro zum Hostel
Für 2,50 Lei – umgerechnet etwa 0,60 Euro – bekommt man beim Fahrkartenschalter der Bukarester Metro zwei Fahrten auf eine Magnetkarte aufgebucht. Durch ein Drehkreuz gelangt man in den “Untergrund”. Die Stationen laden eher nicht zum Verweilen ein. Viele sind düster und erinnern an die dunkle Vergangenheit des Landes, wie zB. die Station “Piata Romana” der erst 1986 eröffneten Linie M2.
Etwa fünf Minuten vom Piata Romana finden wir sehr zentral gelegen unser Hostel “The Midland Youth Hostel 2” *. Ich habe es bereits vorab bei Booking.com* gebucht, damit wir vor Ort nicht zu viel Zeit für die “Herbergssuche” benötigen. Unser Zimmer für diese Nacht befindet sich direkt unter dem Dach.
Ohne Rucksack kann die Stadterkundungstour beginnen!
Bukarest im “Schnelldurchlauf”
Grundlegend reicht ein Nachmittag aus, um sich einen ersten Überblick über das Stadtzentrum der rumänischen Metropole zu verschaffen. Mit ihren knapp zwei Millionen Einwohnern ist sie die sechstgrößte Stadt der Europäischen Union.
Die kosmopolitische Hochkultur und der dominierende französische Einfluss in der Architektur der Stadt brachten Bukarest den Beinamen Micul Paris, also „Kleines Paris“ oder auch „Paris des Ostens“ ein. Bis 1989 wurden unter dem Diktator Nicolae Ceausescu weiträumig historische Stadtviertel zerstört, um dem monumentalen Baustil des Diktators Platz zu machen. Als Vorwand für diesen radikalen Umbau dienten die Schäden an der alten Bausubstanz, die durch das schwere Erdbeben im März 1977 verursacht wurden. (vgl. Wikipedia)
Durch die Calea Victoriei gelangt man zum Athenäum. Das elegante Gebäude wurde vom französischen Architekten Albert Galleron als Zirkus geplant und auch als solcher benutzt. 1888 wurde es zum Konzerthaus umgebaut.
Schräg gegenüber befindet sich direkt am Piata Revolutiei – dem Revolutionsplatz – der Senat.
Vom Balkon dieses Hauses – damals das Gebäude des Zentralkomitees – hielt Nicolae Ceausescu am 21. Dezember 1989 seine letzte Rede. Anstelle der üblichen Jubelrufe beginnt die Menge während der Ansprache zu protestieren – der Beginn der Rumänischen Revolution.
Am 25. Dezember wird das Herrscherpaar in einer Kaserne bei Targoviste erschossen.
Durch die schmalen Gassen Richtung B.-dul Nicolae Balcescu kommt man auch an der “Scoala de Arhitectura” vorbei.
Apropos Architektur und Stadtgestaltung: In Bukarest prallen die unterschiedlichsten Stilrichtungen förmlich aufeinander. Seien es kleine Kirchen…
…eingezwängt zwischen hohen Plattenbauten, die Kombination aus “alt” und “neu” in einem Gebäude …
…oder alte Werbetafeln, die eher an Las Vegas als an Bukarest erinnern.
Blickt man von einem Standpunkt in vier verschiedene Richtungen, so bekommt man vier völlig konträre Eindrücke dieser Stadt. Diese Aufnahme entstand in der Nähe der Piata Universitatii und vereint alte mit neuen und in der anderen Richtung mit völlig heruntergekommenen Gebäuden.
Entlang des Boulevard B.-dul I. C. Bratianu gelangt man zum Piata Unirii, dem Einheitsplatz. Zwischen mit überdimensionaler Werbung zugepflasterten Gebäuden spritzen unzählige Springbrunnen “um die Wette”.
An den Einheitsplatz schließt der Bulevard Unirii an, der direkt zum Parlamentspalast führt. Bauherr Nicolae Ceasescu ließ diesen Palast – damals als Palast des Volkes (Casa Poporului) – erbauen. Umgerechnet 50 Millionen Euro hat das Gebäude gekostet.
Für den Bau des zweitgrößten Gebäudes der Welt nach dem Pentagon “ließ er über 70.000 Bukarester Bürger zwangsweise umsiedeln. Zwölf Kirchen, drei Klöster und zwei Synagogen wurden dem Erdboden gleichgemacht oder, wie das Antim-Kloster und die Kirche Mihai Voda, “einfach” versetzen. […] Ein Fünftel der historischen Altstadt Bukarests war danach nicht mehr das, was sie vorher war. Das traditionsreiche Jüdische Viertel gab es nicht mehr. Das historische Viertel Dealul Spirii mit seinen Gärten und ländlich anmutenden Straßen war völlig verschwunden.” (Remus/Spelleken 2006, S. 176*)
Ceausescu und seine Frau Elena sollten die Fertigstellung des “Palast des Volkes” nicht erleben.
Vom Piata Unirii ist es nur ein Katzensprung…
…in die Bukarester Altstadt. Die schmalen Gassen sind ein beliebter Treffpunkt.
Nach und nach werden die Gassen neu gepflastert und die Autos ausgesperrt. Die Häuser sind zum Großteil in einem desolaten Zustand. Man sieht aber bereits, dass sich in den nächsten Jahren hier viel verändern wird.
Unsere Wanderung durch die Innenstadt macht uns müde und hungrig und die Werbung für ein gutes Timisoreana-Bier trägt ihr übriges dazu bei.
Wir freuen uns auf unser erstes Rumänisches Bier – wobei wir auch Ciuc, Bergenbier und Ursus gerne trinken. Schade nur, dass die traditionellen Rumänischen Biermarken oft von Heineken, Becks und anderen internationalen Marken verdrängt werden. Auch das Österreichische “Gösser Bier” mischt fleißig am Rumänischen Biermarkt mit.
Wir finden in der Nähe des Lipscani-Viertels (Leipziger Viertels) das “Caru´cu Bere”. Es wurde uns bereits im Hostel empfohlen und auch im Reiseführer* entdecken wir es später zufällig wieder.
Trotzdem dass das “Caru’cu Bere” toll eingerichtet ist, wollen wir unsere rumänische Entenbrust an diesem lauen Sommerabend auf der Terrasse genießen. Im Lokal wird getanzt. Mal traditionell Rumänisch, mal klassisch.
Während wir essen, verläßt nebenan eine Hochzeitsgesellschaft die Kirche. Die Stavropoleos-Kirche ist ein Kleinod in der Großstadt und befindet sich in Sichtweite des “Caru’cu Bere”.
Den Abend lassen wir in den Lokalen in der Nähe unserer Unterkunft ausklingen. Es ist interessant die Menschen zu beobachten. Angst braucht man in Bukarest und generell in Rumänien übrigens keine zu haben. Das Land ist besser als sein Ruf und die Menschen ausgesprochen freundlich.
Statistisch gesehen ist es übrigens in Kopenhagen wahrscheinnlicher bestohlen zu werden als in Bukarest.
(Hinweis: Leider können in diesem Beitrag die Rumänischen Sonderzeichen nicht angezeigt werden!)
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