Sonntag, 19. Juli 2009
Kaum aus den Federn, sind wir auch schon am Bahnhof Bucuresti-Nord.
Gottseidank muß in den rumänischen Fernverkehrszügen verpflichtend ein Platz reserviert werden. So wurden wir schon gestern darüber informiert, dass unser Zug R 839 Richtung Mangalia am Schwarzen Meer bereits um 8:39 Uhr und nicht, wie noch vor drei Wochen im Onlinefahrplan behauptet, um 9:20 Uhr abfährt.
Die “Freude” wäre groß gewesen, wenn wir unsere einzige mögliche Zugverbindung verpasst hätten. Die ständigen Fahrplanwechsel sind eine weitere Besonderheit der Rumänischen Eisenbahn…
Unterwegs ins Donaudelta
Vermutlich wäre die Fahrt mit dem Bus kürzer gewesen – wir haben uns aber für die gemütlichere Eisenbahn entschieden. Mit einem Zwischenstopp in Medgidia führt uns die heutige Etappe nach Tulcea, dem Tor ins Donaudelta.
Bei einem Blick aus dem vollklimatisierten Waggon können wir uns auf das Landleben in der Dobrudscha einstimmen.
Bei Fetesti rosten ein paar alte Lokomotiven vor sich hin. Eine davon sieht aus als wäre sie ein Schneepflug. Ob dem wirklich so ist? Und vor allem: Gibt es hier in der Gegend im Winter überhaupt Schnee?
Eines ist allerdings gewiss, nämlich dass durch diese Gegend die Donau fließt. Mehrere lange Straßen- und Eisenbahnbrücken überspannen den Strom kurz vor Cernavoda.
An der Eisenbahnstrecke Richtung Constanta kann man übrigens auch das einzige Kernkraftwerk Rumäniens in Cernavoda gut sehen. Es wurde in den 1980er Jahren geplant und nach einer langen Bauzeit erst 1996 (Block 1) bzw. 2007 (Block 2) eröffnet. Ursprünglich waren fünf Blöcke geplant, die rund 40 % des in Rumänien verbrauchten Stroms liefern sollten. Die anderen drei Blöcke wurden nie fertig gebaut und laut Wikipedia die Inbetriebnahme verworfen. Für einen Weiterbau der Blöcke 3 und 4 gab es allerdings 2007 eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Im Bild kann man links die drei nicht fertig gestellten Blöcke erkennen.
Medgidia – Harmonisches Mulitkuliti…
… hätten wir zumindest gern gesehen. Die brütende Hitze und ein Blick vom Fußgänger-Übergang auf die Stadt lassen uns schnell anders entscheiden. Außer Plattenbauten zu beiden Seiten der Eisenbahn bzw. des Donau-Schwarzmeer-Kanals ist von dieser Stelle nicht viel zu sehen. Und das Bild wird sich auch bei einem längeren Marsch Richtung Siedlungsgebiete wahrscheinlich nicht ändern, denn ein richtiger Stadtkern ist nicht auszumachen. Also beschränken wir uns auf die Beobachtungen direkt am Bahnhof. Ich decke mich im kleinen Geschäft mit etwas Brot, Wurst und einer Tomate ein. Die nette Verkäuferin wäscht mir die Tomate unaufgefordert ab – das nenne ich Service. Gut von den Hunden am Bahnhof bewacht kann mir mein Weckerl bestimmt niemand wegnehmen ;-)
Wobei ich mir nicht sicher bin, ob der Kleine nicht gern ein Stückchen von meiner leckeren Wurst haben möchte. Nun weiß man ja, dass Wurst für einen Hund nicht sehr gesund ist – auch wenn es ein Streuner ist. ;-) Aber er ist dann doch ziemlich mit seinen Flöhen beschäftigt und bettelt nicht.
Neben der Jause ist dann auch noch Zeit ein bisschen auf die Gleise zu sehen. Zwei lustige Zug-Exemplare kommen vorbei – die muß ich dann gleich mal fotografieren.
Schön langsam werden wir ungeduldig und sind froh, als unser “Rumpelzug” nach Tulcea endlich abfährt. Bruni ist auch sichtlich erleichtert, als endlich der Fahrtwind für Abkühlung sorgt.
Ein “Blinder Passagier” ist an Bord, der plötzlich während der Fahrt aussteigt.
Auf der eingleisigen, nicht elektrifizierten Strecke von Medgidia nach Tulcea ist der Eisenbahnbetrieb noch echte Handarbeit. Elektronische Weichen, Signale oder Bahnschranken sind Fremdwörter.
Manche technischen Einrichtungen sehen schon sehr abgenützt aus und ich frage mich, wie lang das Material der Belastung noch Stand hält. Anscheinend denke ich zu laut, denn wir verlieren zunehmend an Fahrt, bis wir mitten im “Nichts” eine Bremsung einlegen und der Dieselmotor ausgeht. Mehrmalige Versuche wieder abzufahren schlagen fehl, Unruhe macht sich bei Schaffner und Lokführer breit.
Hektisch, laut telefonierend und mit schwerem Schritt durch die Wägen laufend wird versucht das Problem zu lösen und den Zug wieder flott zu kriegen. Mehrere Anfahrversuche mit aufheulendem Motor bewegen den Wagen nur im Schritttempo, dann stehen wir wieder still. Hört sich so ein angehender Motorschaden an? Jedenfalls bin ich überrascht, als nach etwa einer halben Stunde der Zug mit sehr “ungesundem” Geräusch wieder Fahrt aufnimmt. Ich kann mich nun wieder auf die Umgebung konzentrieren.
Mit einer halben Stunde Verspätung kommen wir dann doch wohlbehalten im Bahnhof Tulcea Oras an. Vom Zug aus können wir schon die Donau, die Schiffe und auch die nahe Uferpromenade sehen.
Wir freuen uns, dass wir unser nächstes Etappenziel gut erreicht haben. Doch wie geht’s im Donaudelta weiter? Bisher haben wir, außer die letzte Nacht in Tulcea, noch keine Unterkünfte im Delta gebucht. Könnte das in der Hauptsaison problematisch sein? Und wie sehen die Schiffsverbindungen nach Crisan und Sfantu Gheorghe in der “Realität” aus? Neugierig marschieren wir die Uferpromenate entlang Richtung Hotel…
(Hinweis: Leider werden in diesem Beitrag die rumänischen Sonderzeichen nicht angezeigt!)
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