Mehr als 250.000 Gegenstände gehen jedes Jahr in Zügen und auf Bahnhöfen in Deutschland verloren, 60 % davon finden ihren Eigentümer wieder. Der Rest wird regelmäßig auf Auktionen versteigert. Wertvolle aber auch kuriose Dinge kommen unter den Hammer. Ich habe bei der Fundsachenauktion in der Lokwelt Freilassing mit gesteigert. Schon vorneweg: Den „rosa Koffer“ habe ich nicht ergattert.
„72 Euro. Höre ich mehr? Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten! Versteigert an den Herrn mit dem Käppi!“
Auktionator Walter Schreiner kommt auf der Bühne ganz schön ins Schwitzen. Nicht nur wegen des heißen Sommerwetters, sondern auch angesichts der 140 Fundsachen, die in der Lokwelt zur Versteigerung bereitstehen.
Von 10 bis 11 Uhr können sich die Interessierten die Auktionsware ansehen, bevor die Versteigerung beginnt. Eine Frau ist an der Violine interessiert, die anderen prüfen die Bremsen der Fahrräder.
Ein Mädchen schaut neugierig das Dirndl auf der Garderobe an. Uhren glänzen in einer Vitrine, dahinter sind Koffer in den unterschiedlichsten Größen und Farben aufgestapelt.
Noch wichtiger als die Koffer selbst ist deren Inhalt. Der Auktionsgewinner darf sich überraschen lassen, die Schilder an den Griffen verraten zumindest ein bisschen etwas über den Inhalt.
Der Koffer mit Kleidung hat einen Ausrufpreis von 20 Euro, die Romane und Taschenbücher im silbernen Trolley gibt es schon ab 15 Euro.
Ein rosaroter Koffer mit Blümchenmuster sticht aus der braun-grau-schwarzen Menge hervor.
„Erotikkoffer“ steht auf dem Etikett. Ob für Männer oder Frauen? Das bleibt bei der Besichtigung ungeklärt.
„Bitte die Bühne frei machen, die Auktion startet in Kürze“ sagt Schreiner kurz vor 11. Eine Dame kann sich von der ausgestellten Violine nicht losreißen. Die Sitzplätze im Lokschuppen sind längst alle belegt. Ich stelle mich zwecks Überblick in den hinteren Bereich der Halle. Es ist für mich das erste Mal bei einer Auktion.
Schreiner erklärt zu Beginn kurz den Ablauf der Auktion. Zuerst wird ein Ausrufpreis genannt, das ist das Mindestgebot. Wer mehr bietet hebt die Hand und das Gebot erhöht sich zu Beginn immer um einen Euro.
Wer nicht abwarten und sofort mehr bieten möchte kann dem Auktionator auch einen Preis zurufen. So kann man Kontrahenten möglicherweise von vornherein Paroli bieten. Derjenige mit dem höchsten Gebot gewinnt und darf die ersteigerte Ware auch gleich mit nach Hause nehmen. Bezahlt wird mit Bargeld, Auktionsgebühren fallen keine an.
Ich krame meine Geldtasche hervor. Daran habe ich nicht gedacht, dass ich zu einer Auktion auch genügend Bargeld mitnehmen sollte. 30 Euro… naja… da könnten sich vielleicht ein Bund formschöner Spazierstöcke, ein Wiesn-Hut oder das Kuscheltier ausgehen, das als erstes auf der Bühne gezeigt wird. Das Testkaninchen sozusagen. So schnell kann ich gar nicht schauen bin ich übersteigert und es ist auch schon verkauft.
7 Euro für das Fundtier. Wem es wohl einmal gehört hat? Ob es ein Kind im Zug vergessen hat? Oder vielleicht wurde es am Bahnhof ausgesetzt.
In der zentralen Fundservicedatenbank „Verloren & Gefunden“ wird das Findelkind erst einmal registriert und dann 90 Tage gewartet ob sich jemand meldet, der es vermisst.
Dann werden die Fundsachen begutachtet. Alles was funktionsfähig und in Ordnung ist wird auf einer der rund 60 Auktion in ganz Deutschland versteigert.
Die Koffer werden zuerst geöffnet und auf Waffen und Drogen kontrolliert. Schmutzige Wäsche und Unterwäsche oder kaputte Dinge werden aussortiert und bei der Fundsachenauktion der Deutschen Bahn nicht versteigert.
30 Euro für den schwarz-weiß karierten Koffer – der Mann vor mir bekommt den Zuschlag.
Als wird ein violettes Kinderdirndl auf der Bühne gezeigt. Ausrufpreis: 1 Euro. Die beiden jungen Kontrahentinnen überbieten sich unerbittlich. Die kleine Pia behält die Nerven und ersteigert das Kleid um sieben Euro. Ein echtes Schnäppchen, das ihr noch dazu perfekt passt.
Das nächste Fundstück zur Versteigerung auf der Bühne ist etwas für Erwachsene. 20 Euro Ausrufpreis für den rosaroten Koffer mit Blühmchen. Den Erotik-Koffer. Der Herrn mit dem Vollbart neben mir setzt ein verschmitztes Lächeln auf und überbietet seine Kontrahenten. „30!“ „40!“ „50!“ Er hat einen schweren Stand gegenüber den anderen Mitbietenden, der Erotikkoffer ist beliebt.
„Der Inhalt passt unter Umständen einer Frau besser als einem Mann“ sagt Auktionator Schreiner auf der Bühne, „da bin ich mir ziemlich sicher.“ Jetzt haben die weiblichen Bieterinnen die Oberhand. In der ersten Reihe wird nochmals die Hand gehoben. 60 Euro zum Ersten… zum Zweiten und zum Dritten! Anita aus Burghausen freut sich über ihre Errungenschaft.
„Zeigst Du mir auch, was im Koffer drinnen ist?“ frage ich neugierig. „Ja, das will ich auch sofort wissen“ meint sie und zieht vorsichtig den Reißverschluss auf.
Dessous, Lederpeitschen, Strümpfe und Highheels kommen zum Vorschein. „Super, die passen sogar von der Größe!“ freut sich Anita und hält einen glitzernden Schuh in der Hand. Ob die dem bärtige Kontrahent wohl auch gepasst hätten?
Ich bin diesmal bei der Auktion leer ausgegangen. Drei “Seppelhüte” sind für einen Mann eindeutig zu viel und der Erotik-Koffer war nicht ganz nach meinem farblichen Geschmack. Vielleicht werde ich bei der nächsten Fundsachenauktion in der Lokwelt Freilassing bei einem der Koffer zuschlagen.
Zentrale Fundservice-Datenbank mit Sofortauskunft
Auch wenn die Fundsachen-Auktion eine lustige Sache ist versucht die Deutsche Bahn so viele Fundgegenstände wie möglich den Eigentümern wieder zurück zu geben. Zuständig ist dafür das Zentrale Fundbüro in Wuppertal.
Wer etwas in Zügen oder Bahnhöfen der Deutschen Bahn verloren hat kann eine Verlustmeldung auf www.fundservice.bahn.de machen und bekommt sofort Auskunft ob etwas gefunden wurde.
Auf der Homepage sind auch die nächsten Termine der Fundsachenversteigerungen der Deutschen Bahn zu finden. Die meisten Auktionen von Fundgegenständen finden im Hauptbahnhof Wuppertal im Fundsachenversteigerungsraum (Gleis 1, Abschnitt B) statt. Zusätzlich zu den Fundsachenauktionen des Fundbüros der DB AG werden Fahrradauktionen von den verschiedenen Bahnhöfen durchgeführt.
Janett says
Cooler Beitrag. Du hast mich ja grad auf eine hervorragende Idee gebracht. Wo ja Wuppertal für mich quasi nebenan ist…
Gerhard says
Danke, Janett! Dann viel Spaß bei der Auktion in Wuppertal! Ist bestimmt auch dort eine unterhaltsame und lustige Sache – und ein Tipp für “teilzeitreisende”. :-)
Nicole says
Nun habe ich auch den Weg hierher gefunden und ich bin sehr froh darüber! Das ist ja eine tolle Geschichte. Und auch das Konzept des Blogs gefällt mir gut. Ich schau einfach in Zukunft öfter mal vorbei :)
Gerhard says
Nicole, ich freue mich, dass Du in den Schienenreisen-Blog gefunden hast und dass Dir das Blog gefällt. Viel Spaß beim Schmökern und Bahnfahren! :-)