Mittwoch, 22. Juli 2009 – Fortsetzung
Bruni gönnt sich eine gemütliche Siesta und ich setze mich mit einer Mittags-Jause an die Donau. Unter den Strohschirmen läßt sich’s gut sitzen und auch beobachten. Ein Kommen und Gehen herrscht beim Anlegesteg der “Pensiunea Nuferul”. Die fünf Strohschirme mit kleinen Tischchen sind der Treffpunkt der Ortsbevölkerung von Crisan. An die Pension ist auch ein kleines “Magazin Mixt” angeschlossen. Lebensmittel, Brot, Getränke, Hygieneartikel und natürlich auch Bier gibt es in mehr oder weniger großen Mengen zu niedrigen Preisen.
Eine Registrierkasse gibt es nicht. Ein Karton dient als Kasse für das Papiergeld, die Bani-Münzen werden in eine kleine Tonschüssel geworfen. Die Verkäuferin mit dem brauen Lockenkopf bietet nicht nur ihre Waren an, sondern ist auch Ansprechpartnerin für die unterschiedlichsten Belange. Auch wenn der Kunde kein Wort Rumänisch versteht, erzählt sie ihm lange Geschichten in schneller Umgangssprache. Dass man nur mit offenem Mund und Achselzucken dasteht juckt sie wenig.
Bis die Gelsenschwärme gegen 21.30 Uhr auf Crisan einfallen, hat auch der Laden für die Gäste geöffnet. So mancher setzt sich mit seinem Bier zu den Schirmen beim Anleger und trifft Bekannte. Bei einem Bierchen bleibt es dann nur selten. Der einzige Bagger Crisans legt hier ebenso einen Zwischenstopp ein, wie auch der Bootsführer, der die Touristen in die entlegendsten Winkel des Donaudeltas bringt.
Der kleine Junge, der in der Pension mit seiner Oma Urlaub macht, freut sich über seine ersten selbst gefangenen Fische. Ein alter Mann, vielleicht 60 Jahre alt, aber vom Leben gezeichnet, kommt am privaten Anlegesteg mit einem blauen Eimer vorbei. Der kleine Junge läuft zu seinem ersten Fang, den er in einem zerschnittenen Wasserkanister aus Kunststoff bis zum Abendessen aufbewart. Wahrscheinlich hat er Angst, dass der alte Mann mit dem faltigen Gesicht ihm seine beiden Fische wegnimmt.
Doch der hat seinen heutigen Fang bereits gut versorgt und gießt aus dem blauen Eimer die letzten Überreste ins Wasser. Ein gefundenes Fressen für die Möwen, die aufgeregt die Fischteile umkreisen. Innerhalb von Sekunden sind es rund zwanzig Möwen, die auf ein leckeres “Mittagessen” warten.
Der alte Mann wäscht seinen Eimer mit dem Wasser aus der Donau behutsam aus. Fischgeruch macht sich breit. Die Möwen kreisen kreischend und warten, bis die Strömung ihre Leckerbissen endlich außer Reichweite des Fischers bringt. Die mutigste bekommt den größten Fisch – oder was zumindest noch davon übrig blieb.
Der alte Fischer wäscht weiter unbeeindruckt den Eimer, dann das Schneidbrett und sein Messer. Ohne Seife, ohne Putzmittel – nur mit dem Wasser, aus dem seine gefangenen Fische stammen. Als Putzschwamm dient ihm seine Tasche aus Kunststoffgeflecht.
Die erste Möwe schnappt sich einen großen Brocken und fliegt mit Höchstgeschwindigkeit davon – die anderen kreisen und setzen ebenfalls zum Fang an.
Nun sind die Hände des Alten an der Reihe. Sorgsam wäscht er sie mit dem Wasser aus dem Fluß. Finger für Finger, dann hinauf bis zum Ellbogen. Bedächtig wird geschrubbt. Die Möwen sind abgefolgen, einige haben ihr “Mittagessen” bekommen. Eine Möwe zieht weiter ihre Kreise.
Der alte Fischer ist mit seinem Waschritual am Ende und geht zurück zum Haus. Nun kann sich die Möwe auch das letzte Stück nahe des Ufers holen.
Ich genieße die Stimmung am Steg – es ist unser letzter Tag in Crisan. Nach einem leckeren Abendessen genießen wir noch einmal den Sonnenuntergang am Balkon.
Auch “unsere” Kuh marschiert wie jeden Abend gegen 23 Uhr gemütlich an der Pension vorbei und hinterläßt als Abschiedsgruß direkt vor unserem Balkon ihre Produkte (nein es war keine Milch … und auch kein Käse ;-) ).
Arven says
Toll… Diese Beschreibung vom alten Fischer ist toll…Wie in einem Roman beschrieben, man sieht ihn vor sich und die kreisende Möwe…
Andersreisender says
Dankeschön :-) Diesmal hab’ ich mich ein bisschen ausgetobt *fg*
Erich says
Ich muss schon sagen. Soviel habe ich noch nie von Rumänien selbst gesehen. :)
Aber eine tolle Reiseberichtserie hast du da rausgebracht.
Andersreisender says
Hallo, Erich!
Willkommen im Andersreisen-Blog :-) Dankeschön für Dein Lob – ich habe gesehen, dass Du auch schon in Rumänien unterwegs warst.