Nordengland ist im Jahr 1913 vom Kohlebergbau geprägt. Eine rumpelige Zeitmaschine hat mich im ersten Teil aus Newcastle nach Beamish im Jahr 1913 befördert und beschert mir einen lebendigen Einblick in das Leben der Bewohner im Nordosten Englands zu dieser Zeit.
In der kleinen Stadt Beamish können jene mit gut gefülltem Geldbeutel alles kaufen, was das Herz begehrt. Im “Pit Village” sieht das Leben aber anders aus. Dort leben die Bergbauarbeiter in der Nähe der Kohlemine und haben den Geruch der Dampfmaschinen auch im eigenen Gemüsegarten in der Nase.
Kohle ist wichtig für den technischen Fortschritt und die Industrie. Während die Proletarier für ihren Lohn in den gefährlichen Minen schuften bringt die Ausbeute den kapitalistischen Unternehmern Kohle in die Kassen.
Auch Kinder und Jugendliche sind tief unter der Erde im Einsatz um das “Schwarze Gold” zu Tage zu befördern.
Dampfmaschinen trieben die industrielle Revolution schon Anfang des 19. Jahrhunderts voran.
Erst wurde der Transport der Kohle in den Bergbaugebieten um Newcastle auf die Schiene verlegt. Auf „waggon-wags“ wurde sie von den Zechen zu Flüssen, Kanälen oder an die Nordsee befördert.
Anfangs wurden die “waggons” noch von Pferden gezogen. In der Nähe der Zeche war Kohle für Maschinen billiger als das Pferdefutter und so wurde die Entwicklung von der Dampfmaschine zur Lokomotive vorangetrieben.
1913 sind die Stahlrösser schon längst keine Sensation mehr, seit rund 100 Jahren versehen sie schon pfauchend und dampfend ihren Dienst im Norden Englands. Anfangs waren sie hauptsächlich für den Gütertransport im Einsatz.
In der Bergbauarbeitersiedlung mischt sich der Geruch der verbrannten Kohle mit einer fettig-fischigen Note. Der Fish’n’Chips Shop kann nicht mehr weit sein – gerade Richtig zur Lunchtime.
In der gekachelten Küche panieren junge Köchinnen den Fisch. Haarnetze und Kittelschürzen gehören bei dieser Arbeit zur Standardausrüstung. Wieder wird etwas Holz nachgelegt, damit das Fett in der Fritteuse die hohe Temperatur hält.
Unaufhörlich werden frisch panierte Portionen Fisch und Kartoffelspalten im heißen Fett herausgebacken. Wer nicht so viel Hunger hat kann auch “Dab & Chips” ordern – eine “halbe Portion” der fettigen Happen.
Noch schnell eine James Fenwick’s Lemonade bestellt und schon drückt mir die Dame von der Fritteuse meine Portion Fish & Chips in die Hand. Ich könnte während des Essens die Neuigkeiten des Tages lesen, stammt die Zeitung fürs Stanitzel doch auch vom 4. Juli 1913.
Vermutlich wäre auch dort der Tod der Suffragette Emily Wilding Davison noch unter den Schlagzeilen zu finden. Der Tod der Frauenrechtlerin erst vor wenigen Wochen, am 8. Juni, sorgte in Nordengland für Aufregung. Beim Epsom Derby lief sie vor das Rennpferd König George V. und wurde zu Tode getrampelt.
In Beamish sind die Menschen von den tragischen Ereignissen nach wie vor aufgewühlt und das Thema Frauenrechte ist wieder in den Blickpunkt gerückt. Schleifen mit der Aufschrift “Votes for women!” werben für das Frauenwahlrecht.
Ein Recht, das vielen Männern nach wie vor ein Dorn im Auge ist. Noch scheint die Zeit nicht reif zu sein, die britischen Suffragetten müssen für ihr Ziel noch 15 lange Jahre kämpfen.
Wie praktisch, wenn man in die Zukunft blicken kann – oder besser gesagt aus der Zukunft kommt. 100 Jahre zurück versetzt sehe ich heute vieles anders als damals die Bevölkerung.
Im Beamish Museum sind alle Bewohner zeitreisende. Sie machen den Besuchern das Leben im Nordosten Englands Anno 1913 begreifbar.
Das Leben verändert sich auch in Beamish. Dieses Jahr sind die Frauenrechte wichtiges Thema, nächstes Jahr wird über anderes diskutiert.
Mich hat der Besuch im Beamish Museum sehr beeindruckt. Ein paar Stunden hatte ich eingeplant und ein ganzer Tag “in der Vergangenheit” ist daraus geworden. Ich habe selten so ein lebendiges, spannend gestaltetes und interessantes Freilichtmuseum besucht.
Nicht umsonst heißt es “The living Museum of the North”. Hier können Besucher das Leben der Bevölkerung im Norden Englands hautnah mitereleben.
Ich war am 4. Juli 1913 dort und bin mir sicher, dass Dein Tag im Beamish Museum an einem anderen Tag völlig unterschiedlich verläuft.
Absolut sehenswert!
Tipps für einen Besuch im Beamish Museum:
- Das Beamish Museum (North of England Open Air Museum) liegt in der Grafschaft County Durham in Großbritannien, die nächsten größeren Städte sind Newcastle, Gateshead und Durham.
- Öffnungszeiten in den Sommermonaten 10 bis 17 Uhr, letzter Einlass 15 Uhr. Das Freilichtmuseum ist auch im Winter geöffnet.
- Tipp: Unbedingt einen ganzen Tag fürs Beamish Museum einplanen, es gibt sehr viel zu sehen und zu erleben!
- Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Bus 28 oder 28A ab Newcastle und Gateshead. Abfahrt tagsüber im Stundentakt immer 10 Minuten vor der vollen Stunde in Newcastle direkt auf der Rückseite des Einkaufszentrums Eldon Square (Zugang durchs Einkaufszentrum), Halt u.a. in Gateshead Interchange (Metro). Fahrzeit: ca. 50 Minuten. Ticketkauf im Bus, hin und retour für Erwachsene £ 5,50.
- Weiterführende Infos, Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Neuigkeiten auf der Homepage des Beamish Museums.
Die Erfahrungen, Tipps und Hintergrundinformationen in diesem Beitrag wurden im Rahmen einer individuellen Presseeinladung ins Beamish-Museum recherchiert. Wie immer bleibt meine Meinung in der Berichterstattung davon unberührt.
Alex says
Und wieder ein Artikel, der uns in der Zeit zurückversetzt und wieder einmal klasse Fotos. Mir gefallen vor allem die Brücken für die Kohle-Bahnen und die Fish’n Chips, die könnte ich jetzt auch zu gut verdrücken! :)
Walter says
eine Zeitmaschine :-)
Andersreisender says
– Alex: Mjam! Fish & Chips sind absolut lecker – auch wenn sie schon (scheinbar) 100 Jahre alt sind. Aber sie schlagen sich ziemlich auf die schlanke Linie. ;-)
– Walter: Jaa! Wollte ich schon immer einmal damit reisen! Du nicht? ;-)
Claas says
Wahnsinnig toller Artikel mit super Fotos. Echt irre, was Du da erlebst ;) Ich könnte mir nicht vorstellen, so zu leben, wie die Leute dort.
Freue mich auf weitere Artikel von Dir!
Gruß aus Bremerhaven
Claas
Klaudia says
Ich sehe da viele Ähnlichkeiten zum Ruhrgebiet und seiner Bergbau-Geschichte. Auch hier gab es die große Schere zwischen arm und reich, auch hier gingen schon die Jugendlichen und Kinder unter Tage, um das schwarze Gold ab zubauen. Die Museen der heutigen Zeit zeigen, was das Leben, dem Kumpel (der Bergmann) und seiner Familie abverlangte.
Olga says
So alte Locks sind echt faszinierend. Ich wohne direkt an der Bahn und wenn das ganze Haus wackelt und man ne Rauchwolke oben sieht, dann weis, man es kommt wieder so ein altes Dampfross!
Kathrin says
Na das ist ja ein geniales Museum – nicht überall bekommt man die Vergangenheit so vorgelebt.
lg kathrin
Andersreisender says
– Claas: Dankeschön :-)
– Klaudia: Danke für Deinen interessanten Gedanken. Stimmt – von der Bergmännischen Seite haben die beiden Regionen tatsächlich viel Gemeinsam.
– Olga: Dann heißt es schnell die frische Wäsche abnehmen, bevor alles rußig ist. ;-)
– Kathrin: Stimmt! Mir hat der Besuch im Beamish Museum sehr gut gefallen. Kann ich nur jedem weiterempfehlen. :-)