Gudrun Krinzinger, Autorin des Blogs Reisebloggerin.at ist mit dem Zug durch Frankreich gereist. Für den Anders Reisen-Blog hat sie einen Reisebericht mitgebracht. Gudrun erzählt heute in einem Gastbeitrag von ihren Bahnreiseerlebnissen in Frankreich.
War es Geographie oder Französisch, aber in irgendeinem Schulbuch war ein Bild von ihm drinnen, dem Tee-Schö-Vee. Man versicherte uns es wäre der schnellste Zug der Welt und sein schnittiges Äußeres verhieß genau das: Ich bin schnell und ich weiß das.
Im Oktober führte mich dann eine Reise von Paris aus nach Marseille (die Direktflüge Wien-Marseille waren schweineteuer). Schließlich wurde das Bild aus dem Schulbuch real und ich freute mich auf meine Fahrt mit dem TGV.
Wegen eines Kommunikationsproblems mit meiner Pariser Freundin, die zwar schon Tickets gekauft hatte, aber leider zum falschen Datum (das Hotel konnte nicht mehr kostenfrei storniert werden), musste ich mir noch ein Ticket kaufen. Ich besuchte die Internetseite und fand ein simples Buchungssystem in deutscher Sprache vor. Ich konnte klarerweise den Tag meiner Reise und das Fahrziel wählen, hatte aber aufgrund der Reservierungspflicht noch weitere Optionen.
Online-Ticket für den TGV
Wollte ich oben oder unten sitzen? Wollte ich in oder gegen die Fahrtrichtung sitzen? Wollte ich am Gang oder am Fenster sitzen? Um nur 10 Euro hatte ich die Möglichkeit auf die 1. Klasse aufzuzahlen, was ich auch tat. Das Ticket kostete so 73 Euro und ich sah mich schon champagnertrinkend auf Kaschmir und Seide gebettet in der ersten Klasse sitzen. Fantasie ist doch etwas Schönes.
Die Bestätigungsmail meiner Ticketbuchung war prompt im E-Mail-Eingang und in weniger als einer Minute hatte ich mein Ticket in der Hand.
Am 24.Oktober war es dann soweit. Abfahrt 7:11 Uhr, Gare de Lyon. Meine Freundin wohnt nicht direkt in Paris, sondern in Montreuil sous Bois, was aber direkt an der Metrolinie 9 liegt. Viel zu früh brach ich auf und teilte mir mit Pendlern die U-Bahn um an der Station Nation in den RER (Pariser Schnellbahn) zu wechseln, der mich zum Gare de Lyon brachte.
Eine halbe Stunde war ich zu früh am Bahnhof und lernte eine Besonderheit des französischen Bahnnetzes kennen. Der Bahnsteig, von wo der TGV nach Marseille abfahren sollte, war noch nicht bekannt. Mit vielen anderen Fahrgästen starrte ich auf die große Anzeigentafel in der Bahnhofshalle.
Um Punkt 7:00 Uhr wurde der Bahnsteig bekanntgegeben und wir setzten uns in Bewegung. Direkt am Bahnsteig wurde meine Fahrkarte zum ersten Mal kontrolliert. Schnell fand ich den richtigen Waggon. Hier wurde meine Fahrkarte zum zweiten Mal gescannt und man wies mir den Weg zu meinem Sitzplatz.
Ich saß in Fahrtrichtung im Unterdeck, der Sitz war breit und sah sehr gemütlich aus. Mein Gepäck verstaute ich in der großzügig bemessenen Gepäckablage, von der es pro Waggon zwei gab. Diese füllten sich rasch, denn in Frankreich waren Ferien und viele brachen nach Marseille auf. Der Zug schien voll zu sein.
Mit 250 km/h Richtung Marseille
Pünktlich um 7:11 Uhr war Abfahrt. Noch war es draußen stockdunkel. Ich machte es mir auf meinem Platz gemütlich und packte mein Buch aus. Nach wenigen Minuten ertönte eine Stimme via Lautsprecher. Meine Französischkenntnisse reichen zwar aus um im Restaurant nicht zu verhungern, aber die Durchsage verstand ich nicht. Ich wartete vergeblich auf eine englische Übersetzung.
Wenig später wurde mein Ticket zum dritten Mal kontrolliert. Die Klimaanlage hatte den Zug fest im Griff und ich war froh einen großen Schal dabeizuhaben, in den ich mich einmümmelte.
Ich warf einen Blick aus dem Zugfenster: Die Nacht wich dem Nebel. Erst in Avignon, das war schon lange nach meiner Abfahrt, brach die Sonne durch.
Um diese Zeit war ich auf dem Weg ins Bordrestaurant, was sich als Bar entpuppte. Ich bestellte einen Espresso und ein Croissant und frühstückte zum ersten Mal in einem TGV bei etwa 250 km/h. Der Ausblick auf die mittlerweile nebelfreie Provence war wunderschön und ließ auf schönes Wetter in Marseille hoffen. Pünktlich auf die Minute erreichte der TGV die Stadt.
Fotos von meinem französischen Speedwunder machte ich erst am nächsten Tag, als ich meine Freundin vom Bahnhof abholte. Auch diesmal war der Zug superpünktlich.
Mein Fazit
Jederzeit wieder würde ich eine Fahrt mit dem TGV unternehmen. Den Preis von 73 Euro finde ich angemessen, wobei die Preise tagesaktuell variieren und man um einiges billiger buchen kann. Das Buchen der Fahrkarte war unkompliziert.
Die Sitze in der 1.Klasse sind zwar etwas geräumiger und breiter, aber ich war auch bei der Rückfahrt mit meinem Sitz in der 2.Klasse sehr zufrieden.
Bloß einen Wunsch habe ich an das französische Zugunternehmen SNFC: Durchsagen in englischer Sprache wären wirklich sehr hilfreich.
Hubert says
Hihi,
da bin ich ja beruhigt, dass es nicht nur dir so ging mit der Verwunderung des unbekannten Bahnsteigs (ist tatsächlich aber auch am Flughafen so in paris, auch dort erfährst es wenige Minuten vor dem Boarden) ;)
Gudrun says
Also am Flughafen ist mir das noch nie aufgefallen, da ist es mir eher wurscht. Aber ich kann mich an meine Zeit in New York erinnern. Da wurden die Bahnsteige auch erst knapp vor der Abfahrt bekannt gegeben. Sogar bei den Schnellzügen. Das war ein immer ein ziemliches Chaos und “ich-muss-zum-richtigen-Bahnsteig-Pilgern”.
Gerhard says
Auch Richtung Osten wird das teilweise so mit den Bahnsteigen gehandhabt. In Russland, z.B. wird auch erst ca. 20 Minuten vor Abfahrt des Zuges der Bahnsteig angezeigt.
Christian says
Das System mit der Anzeige der Bahnsteige ist insofern so notwendig, als dass die Züge oft nur sehr kurze Wendezeiten haben. Da kommt eine Garnitur aus Lyon um 06:48 in Paris an und fährt um 07:11 schon wieder nach Marseille. Würden die Wartenden dies am Bahnsteig tun, käme es wohl regelmässig zum Chaos, aussteigende Passagiere und wartende/einsteigenwollende Passagiere würden sich gegenseitig behindern und die knapp bemessene Zeit würde für den Fahrgastwechsel nicht ausreichen.
Weit mehr als eine englische Ansage(1) würde ich mir einen ordentlichen Speisewagen wünschen, der gastronomische Service im TGV ist selbst in der 1. Klasse ein absoluter Witz, was zu Folge hat, dass er eigentlich nicht wirklich zu was anderem taugt als zum hin- und herhobeln zwischen z.B. Paris und Marrseille, nach Nizza mit dem Zug (6h), nein – danke!
Und zwischen Paris und Deutschland (und somit Richtung österreichische Heimat) ist eh jeder zweite Zug ein ICE, der hat Speisewagen. Muss man halt beim Planen der Reise ein wenig aufpassen. dass asugerechnet der Direktzug Paris – München ein TGV ist, ist entsprechend eine komplette Fehlplanung.
(1) natürlich sehr subjektiv, nach 15 Jahren Frankreich habe ich mit frz. Ansagen kein Problem mehr, mit Hunger aber schon ;-)