Sie wird aus der Nähe begutachtet, dann von weiter weg. Abwechselnd mit Brille und ohne, als würde es an Schärfe fehlen. Dabei ist doch alles eindeutig und makellos zu sehen.
Dem Schlafwagenschaffner gefällt es allerdings weniger was er vor seiner Nase hat. Denn das Abteil, das für mich auf der Bettkarte als reserviert ausgewiesen wird ist leider nicht verfügbar.
“Kaputt” erklärt mir der Schlafwagenschaffner der Serbischen Eisenbahn beim Einsteigen in den Nachtzug Budapest – Belgrad (D 341 Beograd) und quartiert mich statt im reservierten 2-Bett Schlafwagenabteil in einem 6-Bett Liegewagen ein.
“Das Licht funktioniert nicht” gebe ich mit mir bekannten Brocken aus Russisch, Slowenisch und was weiß ich was für andere Sprachen zu bedenken.
“Kaputt” erhalte ich als eintönige Antwort. Mit unverständlichen, etwas aufgebrachten Worten in Serbischer Sprache zieht der Schlafwagenschaffner ab. Fragen wegen des Zigerettengestanks und dem aus der Verankerung gerissenen Mülleimer in meinem Abteil und den neben dem “Nichtrauchen” Zeichen qualmenden Kollegen haben sich damit auch erledigt.
Der Balkan beginnt ja angeblich schon am Wiener Südbahnhof. Jetzt wo der Railjet bis Budapest fährt – und damit immer weniger Züge ab Wien Richtung Osten rollen – beginnt er wohl erst in der Ungarischen Hauptstadt am Keleti pályaudvar Bahnhof (zu deutsch Ostbahnhof).
Man wird im Zug sofort mit den Gepflogenheiten des Landes der Betreibergesellschaft vertraut gemacht. Das macht den Reiz einer Schlafwagenfahrt aus. Ein Vorgeschmack auf Serbien sozusagen. Keine langweiligen, weltweiten Standards. Jeder D-Zug ist anders. Der Einstieg ins Abenteuer erfolgt schon im noch scheinbar bekannten Terrain.
Ich blicke in das grün-braun eingerichtete Séparée. Das kleine Notlicht an der Decke und die Lampen vom Bahnsteig erhellen ein wenig das in die Jahre gekommen Abteil. Zumindest bis zu diesem Gedanken – denn gehen auch die kleine Funsel und das Ganglicht aus. “Na das kann ja heiter werden” denke ich während ich im Rucksack nach meiner Taschenlampe krame.
Spätestens wenn der Zug um 22:20 Uhr Budapest verlässt wird es stockdunkel. Und das bleibt so bis mindestens 6:06 Uhr in der Früh, eine pünktliche Ankunft und kein verfrühter Sonnenaufgang in Belgrad vorausgesetzt.
Die Nacht sollte ich im plüschigen Abteil allein verbringen. Trotzdem, dass die Gäste des Schlafwagens in den Liegewagen übersiedeln mussten ist der Waggon halb leer. Der Zug rollt langsam und knarrend aus dem Bahnhof Budapest Keleti, vorbei am Zug nach Bukarest, der wenige Minuten später abfährt. An diese Nachtfahrt gibt es auch spannende Erinnerungen, damals hieß der Zug noch “Dacia” und fuhr von Wien ab.
Service im Nachtzug
Vor meinem Abteil geht das Ganglicht wieder an und auch die Notbeleuchtung im Abteil. Dafür kann ich nun das Fenster schließen denn die Heizung läuft nicht mehr auf Hochtouren. Der Schlafwagenschaffner sammelt Fahrscheine und Bettkarten ein und bringt mir Bettzeug vorbei.
Drei gleich große, weiße Laken, einen Polster und eine karierte Wolldecke. Mit “wickelnden” Bewegungen, die eher an einen Tanz erinnern, zeigt er mir, dass ich den Polster ins Bettlaken einrollen muss. Die Decke ist allerdings größer als das Laken und kann daher nicht umwickelt werden. Darum wurde dieser Teil des Kurses vermutlich auch ausgelassen.
“Pivo, Coca-Cola, Šnaps” werden noch die lebensnotwendigen Zutaten für einen Nightcup vom Schaffner angeboten. Service gehört immerhin zum Erfolg der Schlafwagenverbindung Budapest – Belgrad.
Nach dem Gute-Nacht-Bier hänge ich die Türsicherung ein und döse bis zur Grenze vor mich hin. Ein fröstelndes Gefühl weckt mich auf, ich ziehe eine Fleecejacke drüber.
Grenzkontrolle Ungarn – Serbien
Kurz vor der Grenze wache ich schweißgebadet auf. Das Abteil fühlt sich wieder wie eine Sauna an. Das Aufwecken zur “Passport Control” durch den Schlafwagenschaffner hat sich somit erledigt.
Zwischen ein und zwei Uhr in der Früh muss man die Zeit für die Formalitäten einplanen. Erst in Ungarn bei Kelebia für die Ausreise aus der EU und dann in Subotica zur Einreise nach Serbien. Die Kontrolle verläuft unkompliziert, dennoch braucht alles seine Zeit bis man dann weiterschlafen kann.
Der Schienenstoß wiegt die Fahrgäste dann sanft in den Schlaf. Nach der Grenze fährt der Zug nur noch im Schneckentempo über die in die Jahre gekommenen Gleise. Der Waggon verwindet sich im regelmäßigen Takt und bringt das ächzend zum Ausdruck.
“Beograd, Beograd” werde ich kurz vor 6 Uhr geweckt. Mit nur fünf Minuten Verspätung rollen wir gemächlich im Bahnhof der Hauptstadt Serbiens ein.
Tips und Infos zum Nachtzug Budapest – Belgrad:
- Die Fahrzeit Budapest – Belgrad bzw. Belgrad – Budapest beträgt knapp 8 Stunden.
- Grenzkontrollen finden in Kelebia (Ungarn) und Subotica (Serbien) statt.
- Toiletten und Waschräume sind sauber, es sind allerdings kein Toilettenpapier, keine Seife und auch keine Handtücher vorhanden. Hygieneartikel daher selbst mitbringen.
- Getränke werden vom Schlafwagenschaffner angeboten – ich würde mich aber ehrlich gesagt nicht darauf verlassen. Selbst Verpflegung mitbringen!
- Auf der Nachtfahrt Belgrad – Budapest hatte ich bezüglich Sicherheit keine Bedenken. Auf eine gute Verriegelung der Abteiltüre würde ich in Europa generell achten.
- Etwas Abenteuerlust wird empfohlen. Wer auf die Gepflogenheiten anderer Länder entspannt reagiert und sich darauf einlässt wird seine Freude an dieser Reise haben. :-)
Paula says
Hm. hmm hmmmm. Bei 8 Stunden würde ich glaube ich lieber untertags mit dem Zug fahren und die Landschaft mit den Augen “aufsaugen”.
Langsam fahren ist mir in der Nacht nur recht. Am Weg nach Hamburg hatte ich im Liegewagen das Gefühl, der Zug ist so schnell und drückt sich in die Kurven, dass mir schon schummrig wurde, so ganz wohl fühlte ich mich bei dem schnellen Tempo nicht. Ich wäre gerne langsam dahingeschaukelt.
Das ist für dich vermutlich nichts Neues, wenn ich meine 5cent von der ÖBB dazustreu: habe ein Damenabteil für mich und meine Nichte reserviert und endete in einem Abteil wo auch ein Mann schlief, der seine Fußpilzzehen auf die Bank vis a vis ausstreckte, auf der wir saßen. Ein Wiener! :-(
Christina says
Meine letzte Zugreise ist schon ewig her und ich erinnere mich, dass ich nur sehr schlecht einschlafen konnte. Nichts desto trotz hört sich das nach einem genialen Abenteuer an, vielleicht sollte ich das mal Probe fahren um irgendwann für die Transsibierische gerüstet zu sein (das kann aber noch ein paar Jahre dauern ;-D).
Liebe Grüße
Christina
mac says
Wau, ich glaube bei dem dunklen Abteil hätte ich umgedreht und wäre wieder in den Bahnhof zurück!
Clever wer da eine gute Taschenlampe hat, oder?
Hattest du eine Taschenlampe?
Alex says
Also Budapest will ich wohl auch irgendwann mal gesehen haben. Allerdings ohne Zug und “kaputt”. ;)
Angenehmes und kaputtfreies Wochenende dir!
Andersreisender says
@Paula: Ja… ich wäre bei 8 Stunden definitiv auch lieber tagsüber unterwegs – da zahlt sich der Nachtzug kaum aus. Aber nachdem die Lücke in meinem Terminkalender begrenzt war und ich unbedingt die kleine Reise auf den Balkan unternehmen wollte musste die Nachtverbindung ab Wien bzw. Budapest her halten. ;-)
Ich bin voll bei Dir: Beim Fenster rausschauen, Veränderungen spüren – drinnen und draussen – das ist einfach super!
@Christina: Also dann empfehle ich Dir besser ZUERST die Transsibirische Eisenbahn. Optional kannst Du natürlich von Österreich nach Moskau auch mit dem Zug anreisen. Als Einstimmung sozusagen. ;-)
@Mattias: Klar hab ich eine Taschenlampe dabei. Genau genommen sind es sogar zwei, denn bei meinem Akku-Pack fürs iPhone ist auch eine integriert. Hast Du die Dinger schon mal ausprobiert? Ich finde die Nachlade-Stationen – unabhängig von der integrierten Taschenlampe – super!
@Alex: Hmm… Budapest könnte auch ohne “Kaputt” ganz gut klappen – außer Luxemburger Eisenbahn, DB, ÖBB oder MAV machen was falsch. Das kann dort ja auch vorkommen, oder? ;-)
@Kathrin: Also da hätte ich mit dem Zug weniger Sorgen als mit dem Auto. ;-)
Kathrin says
In Belgrad war ich zwar schon einmal, allerdings bin ich damals mit dem Auto angereist und nicht mit dem Zug. Bin schon gespannt auf weitere Berichte.
lg kathrin
Alex says
Andersreisender, ob man da wohl noch selbst hinfahren kann, oder doch eher Zug oder sogar Flugzeug? Werde mich gegebenfalls mal schlau machen. Und was das Zugnetz anbelangt, da gab es letzte Woche noch Probleme hier! :D
Schönen Sonntag
Mac says
@Gerhard: nein kenn ich nicht! Welches hast du?
Andersreisender says
@Alex: Klar kann man da hinfahren. Mit dem Zug geht’s durchaus bequem – zB. mit dem ICE bis München und dann von dort mit dem Railjet bis Budapest weiter.
@Matthias: Ich verwende seit einiger Zeit den Easy Acc mit 5600mAh und bin super zufrieden damit. Das iPhone lässt sich knapp 3x mobil aufladen. Sehr praktisch auf Reisen oder zB. auch beim Geocaching. :-)
Alex says
ICE bis München klingt doch mal sehr verlockend. Ich muss dann nur aufpassen, dass ich nicht gleich dort bleiben möchte und gar nicht erst bis nach Budapest komme! :D
mac says
Danke für den Tipp, werde ich mir mal anschauen, wobei ich an der 12000 mAh interessiert wäre! ;-)
Andersreisender says
@Alex: Zuerst München anschauen, dann zu Besuch bei mir in Salzburg und dann weiter nach Budapest. Mir ist gerade eingefallen, dass es für Dich nach Budapest wahrscheinlich über Passau näher ist. Also dann in Linz in den Railjet umsteigen. Dann kommst Du allerdings nicht bei mir in Salzburg vorbei. :-(
@Mattias: Der 12.000 mAh ist natürlich der Mega-Brummi! Da müssten dann ja mindestens 6 Ladungen ohne Probleme möglich sein. Der 5.600er lässt sich auch super in der Tasche verstauen, ist wirklich handlich.
Alex says
Danke dir für deine Routen hier. Noch ist mit Budapest eh nichts in der Planung. Mal schaun wann es soweit sein wird. Danke dir jedenfalls.
Michael says
Interessante Reise, ich erinnere mich noch an einen Fernsehbeitrag über die Zugreise von Russland nach China… Mit dem Zug reisen schafft ein besonderes Gefühl und man hat Zeit um die Landschaft zu bestaunen….
Christian says
Hey,
auch ich danke dir für deinen Beitrag. Wirklich spannend, vor allem die Reise mit dem Nachtzug. Ich weiß nicht, ob ich das gemacht hätte. Osteuropa ist immer eine Reise wert. Bis jetzt war ich nur in Prag.
Gruß
Skatze says
Komfort wie bei der Deutschen Bahn kann man da wohl nicht erwarten. Aber das hat man dann bestimmt auch an dem Preis dieser Fahrt gemerkt, oder? Mich würde mal interessieren, was dich die Nachtfahrt gekostet hat?
Andersreisender says
@Skatze: Das stimmt – in Serbien und generell am Balkan ist Zugfahren viel billiger als in Mitteleuropa. Der Aufschlag für den Schlafwagen hat 17 Euro gekostet, für den Liegewägen wäre es noch wesentlich billiger gewesen. Für die Strecke Wien – Belgrad kostet eine Fahrkarte um die 50 Euro.
Skatze says
Dafür hat es dann wiederum auch ein wenig an Komfort gefehlt. Aber Hauptsache ist ja, von A nach B zu kommen :)
Reisender says
Oh ja, Budapest will ich demnächst auch mal hin. Aber Belgrad? Ich mein, ich bin mal durchgefahren, schien auch eine sehr interessante Stadt zu sein, aber das war noch vor dem Krieg.
Max Reimer says
Ich habe die Erfahrung Schlafabteil auch schon gemacht: Klar, so komfortabel wie im ICE von München nach Frankfurt ist es nicht, allerdings hat es doch einen gewissen Abenteuercharme. Würde es wieder machen, allerdings kann ich auch nur unterstreichen: Verpflegung selbst mitnehmen ist Pflicht, auf Snacks und Co. im Zug würde ich mich nicht verlassen!
Jimx says
Hallo,
ich habe ein paar Artikel über Ausraubungen in Nachtzügen auf der Strecke Budapest – Belgrad gelesen, wo Türen aufgebrochen wurden ohne das man es zunächst bemerkte und ohne etwas zu hören.
Bin deswegen nicht sicher, ob ich solche Strecken nochmal nachts fahren möchte.
Andersreisender says
– Jimx: Mir ist diesbezüglich ehrlich gesagt bisher nichts untergekommen.
Hannah says
Falls es wen interessiert: diesen Nachtzug nach Budapest gibt es nicht mehr, es gibt nur noch einen und zwar nach Bar in Montenegro (fährt im Sommerhalbjahr auch am Tag). Den schönen Bahnhof in Belgrad gibt es noch, aber er ist kein Bahnhof und hat keine Schienen mehr. Man kommt jetzt traurigerweise und völlig uncharmant in Novi Belgrad an. Über 50 Minuten Fußweg von der Altstadt. Hier wird schlimm gentrified. Alles muss neu! Immerhin fahren die alten Straßenbahnen noch. Ansonsten gibt Belgrad nicht viel her…(Januar 2024)