Tag und Nacht herrscht geschäftiges Treiben rund um die Metro-Station Mong Kok. Hongkong scheint nie zu schlafen. Elektrogeschäfte, die neueste Mode und Straßenküchen prägen das Bild der hektischen Argyle Street. Alles hell beleuchtet, die Schaufenster zeigen die schönen Sachen der Welt.
Nur selten neigt jemand den Kopf nach oben zu den Fenstern, wo tausende Menschen über den Einkaufswelten wohnen. Längst sind die Wohnblöcke nicht mehr nur die dicht gedrängten Unterkünfte der Hongkonger. Es hat sich eine eigene Welt entwickelt – hinter den Fassaden der Weltstadt.
Eintauchen in die Stadt in der Stadt
Der Geruch des frisch frittierten “Stinke-Tofus” zieht durch die Nase fast bis ins Gehirn. Ich halte die Luft an, dränge mich durch die hungrigen, wartenden Kunden vor der Garküche und steuere links auf einen kleinen Eingang zu.
Unscheinbar ist der Zugang zu einer anderen Welt. Zur Argyle Street Nummer 83. Einer von fünf Eingängen um genau zu sein. Vorbei geht es an den Postkästen zu den beiden Aufzügen.
Es passiert selten, dass der Wachposten beim Eingang unbesetzt ist. Der ältere Herr mit der dicken Brille kennt mich bereits und grüßt mit einem breiten Grinsen. Er grüßt nicht nur mich sondern auch viele andere. Ob man hier den Überblick behalten kann, wer täglich ein und aus geht?
Zeit hätte er dazu genug, denn “schnell” kommt man hier im Eingangsbereich nicht weiter. Anstellen ist angesagt, um in die oberen Stockwerke des Gebäudes zu gelangen.
Die beiden Lifte sind rund um die Uhr im Dauerbetrieb. Der linke fährt in das 4., 6., 8., 10., 12. und 14. Stockwerk, der rechte bedient Stockwerke mit ungeraden Nummern. Im Ground Floor beim Eingang bleiben beide stehen – spucken Menschenmassen aus und nehmen neue auf. Ein Schild mahnt, Bewohnern des Blocks bei großem Andrand den Vortritt zu lassen. Viele der Aufzugfahrer sind – wie ich – hier nur zu Gast.
Ich steuere den 7. Stock an – dort ist meine Unterkunft, das Hong Kong Budget Hostel*. Wohnung 703. Ein paar Meter weiter, dann rechts befindet sich das Dragon Hostel. Auch in anderen Stockwerken sind kleine Zimmervermietungen zu finden.
In meinem Zimmer in der peinlichst sauberen Unterkunft wird mir wieder eines der größten Probleme Hongkongs bewusst: Die Platznot. Menschen wohnen hier auf engstem Raum zusammen. Es kursieren Berichte, dass sich in dieser Stadt so mancher Einwohner mit jemand anderem ein Bett teilt. Geht der eine arbeiten, kann der andere schlafen – und umgekehrt. Ob das wirklich so stimmt?
Wohnen auf engstem Raum
Mein Zimmer ist so klein, dass ich gar nicht weiß, wie ich es fotografieren sollte. Die Tür kann nicht ganz geöffnet werden, da sie am Bett ansteht. Ein schmaler Gang von einem halben Meter Breite an zwei Seiten des Bettes bleibt zum Gehen und fürs Gepäck. Ein Nachtkästchen und ein an der Wand montiertes TV-Gerät komplettieren die Ausstattung des Zimmers.
Ach ja – eine Klimaanlage und ein Ventilator sorgen für Frischluftzufuhr, denn ein Fenster zur Außenwelt gibt es nicht.
Verständlich, dass sich bei so engen Verhältnissen ein Teil des Lebens auf die Gänge verlagert. Dort ist ständig jemand unterwegs – mal zum Rauchen mal zum Quatschen. Durch den schmalen Lichthof drängt etwas Tageslicht in den riesigen Wohnkomplex.
Wenigstens gibt es hier genügend Platz für die frisch gewaschene Wäsche. Hausfrauen und -männer können aufatmen.
Da fällt mir ein: Es wird dringend Zeit wieder mal meine Wäsche zu waschen. An der Rezeption gibt man mir den Tipp “Go to Flat Nr. 708, there is the laundry service”. Perfekte Dienstleistung im eigenen Haus: Am Abend kann ich dort die frisch gewaschene Kleidung wieder abholen.
So manches Unternehmen hat sich zwischen den Wohnungen in den endlosen Gängen eingemietet. Hätte ich Lust auf ein Casting beim Film (Studios im 4. Stock) oder ein Problem mit meinem Klavier (9. Stock), würde ich in diesem Haus ebenfalls fündig werden.
Bin ich hungrig oder durstig kann ich mit dem Lift wahlweise an der Westseite oder Ostseite ins Gewühl der Gassen Mong Koks eintauchen. Auf beiden Seiten gibt es einen Seven Eleven Convenience Store, der rund um die Uhr geöffnet hat.
Aber wie gesagt: “Schnell” geht hier gar nichts. Bis zu fünf Minuten Wartezeit auf den Lift sind einzuplanen. Da bleibt genügend Zeit mal im Serviceheft zu blättern.
Bei einem authentischen Besuch in Hongkong gehört eine Übernachtung in einem der riesigen, grauen Wohnblöcke dazu. Ein großer kultureller “Melting Pot” sind die Chungking Mansions im Süden des Stadtteil Kowloons direkt in der Nathan Road. Der Haupteingang ist hell erleuchtet…
…und in den dunklen Seitengassen bekommt man eine gute Vorstellung davon, was einen drinnen erwartet.
Jede Menge Billigunterkünfte, so manch zwielichtiges Unternehmen und eine Hand voll Restaurants teilen sich diesen Block in der Nathan Road. Das Essen beim Inder in der zum Restaurant umgebauten Wohnung im 3. Stock ist übrigens hervorragend. Und es gibt bestimmt noch viel mehr zu entdecken…
Eine Nacht im Wohnblock
Und wo kann man nun ein Zimmer in den kultigen Hostels in Hongkong buchen? Ziemlich sicher nicht im Reisebüro oder aus dem Urlaubskatalog. Es lohnt sich aber die Seiten für günstige Reiseunterkünfte für Backpacker* zu durchstöbern. In Hongkong sind einige Zimmer in den Chungking Mansions und anderen interessanten Gebäuden zu finden. Wer kein Abenteuer und hautnahen (manchmal sehr geräuschvollen) Kontakt zu den Bewohnern sucht, der sollte besser beim Urlaubskatalog bleiben…
Dollybe und Erwin says
Hallo Gerhard,
toller Blogbericht von Hongkong wo wir ebenfalls in so einem Wohnblock übernachtet haben, zu sehen auf unserer HP. Zu einem Blog fehlt mir die Erfahrung und das Schrifstellerische läßt zu wünschen übrig.
Grüße von den Philippinen senden dir Dollybe und Erwin
Andersreisender says
– Dollybe und Erwin: Ich freue mich, dass Ihr auch schon so einen tollen Blick hinter die Hausfassaden in Hongkong hattet. Wart Ihr in den Chungking Manisons?
Dollybe und Erwin says
Hello Gerhard,
ja waren wir und wir konnten Fotos machen von unserem Minizimmer, wir buchen unsere Hotels immer im voraus per Internet, wir haben festgestellt das wir meistens die besseren Zimmer bekommen als Vor Ort Buchung.
Andersreisender says
– Dollybe und Erwin: In Hongkong und China habe ich die meisten Zimmer auch im voraus gebucht. Das hat gut geklappt.