Wie das wohl so ist als Fischer aufs Meer hinaus zu fahren? Oft hab ich’s mich gefragt und endlich auch einmal ausprobiert. Das Meer fasziniert mich. Vermutlich, weil ich eine „Landratte“ aus den Bergen bin.
Ich fange „klein“ als Krabbenfischer vor der Küste von Ostende an. Ein „alter Seebär“ kann mir aber auf der „Crangon“ auch von der weiten Welt erzählen.
Ich bin zu spät. Die Straßenbahn hat mich im Stich gelassen. Die „Cragon“ läuft um 13:30 Uhr im Hafen von Ostende aus, es ist nun 13:31 Uhr. Es sind gerade einmal 30 oder 40 Meter, die mich vom Heck des grünen Fischerbootes trennen. Aber mich beachtet niemand. Hier könnte das Fischerabenteuer zu Ende sein, hätte mir Erik (ich erzähle Euch demnächst von ihm) nicht am Vortag das Hafenviertel gezeigt.
Ein Blick zur Schleuse und dann spurte ich los. Eigentlich könnte ich mir auch Zeit lassen. Ich weiß, dass es eine “halbe Ewigkeit” dauert bis die Boote vom Wasserpegelstand des Hafens auf den Pegel des Meeres angehoben oder abgesenkt werden. Je nachdem ob Ebbe oder Flut herrscht.
„Hey, ich bin Gerhard – Willy hat gesagt ich darf anheuern“ rufe ich zum Kapitän hinüber. Der lacht und ruft zur Kaimauer zurück „spring rauf!“ Schon bin ich mit einem Satz an Bord des Fischkutters.
Dort befindet sich die dreiköpfige Crew und neun andere „Leichtmatrosen“, so wie ich. Ob sie auch mit der Tram angereist sind? Oder noch bequemer – mit dem Auto?
Nach der Ausfahrt aus dem Hafen werden wir gleich auf die erste Probe gestellt. Die See ist heute sehr rau. Während wir uns an der Reling festhalten bereiten William und sein Team alles fürs Krabbenfischen vor. Ein gestandener Seemann muss sich nicht festhalten.
Er hält fest. Taue, Wasserschläuche, Kisten und wenn’s grade nichts zu tun gibt auch eine selbstgedrehte Zigarette. Das ist aber eher selten der Fall, denn Fischer haben immer etwas zu tun.
Wenige hundert Meter vor der Küste lässt das Boot das Netz ins Wasser. Eine Seilwinde in der Mitte des Bootes beginnt zu rattern, sie wird von zwei Seemännern bedient. Hier ist das Meer rund sieben Meter tief, das Netz wird über den Meeresgrund geschleift um die Garnelen zu fischen.
Was nun. Garnelen oder Krabben? Nun, es sind Garnelen, die wir in der Nordsee fangen. Sie werden von den Fischern aber Krabben genannt. Unser Schiff “Crangon” heißt auch nichts anderes als Nordseegarnele.
Ist das Netz im Wasser, wird es hinter dem Boot her geschleift. Die Matrosen haben keine Zeit die Skyline von Ostende zu bewundern, es gibt alle Hände voll zu tun.
Der Auffangbehälter für die Shrimps wird gereinigt. Von dort sollen sie über ein Förderband in die Sortiermaschine gelangen. Ein riesiger Topf mit Wasser wird mit Diesel befeuert, hier sollen die Tiere dann gekocht werden. Das Wasser im Topf ist Meerwasser und noch mehr Meersalz wird dazugegeben.
William gibt das Kommando – der erste Fang kann eingeholt werden. Die Seilwinde dreht sich, bald kommt das Netz zum Vorschein.
War es ein guter Fang? Rein damit in den Auffangbehälter.
Ein Haufen mit kleine Seesternchen, Fischen, Krabben und Garnelen liegt vor uns. Das gehört nun alles sortiert.
Eigentlich würde das zum Teil die Maschine übernehmen. Aber: Die rührt sich nicht. Sie macht keinen Mucks, auch wenn William ihr mit dem Schraubenschlüssel zu Leibe rückt.
Also Plan B: Das Meeresfrüchte-Chaos wird per Hand in einem Sieb an der Reling sortiert. Die Garnelen kommen in einen roten Plastikkübel, der Rest wird wieder ins Meer geworfen. Wenn die Reste es überhaupt so weit schaffen.
Denn unser Boot belagert eine Hundertschaft von Möwen. Laut kreischend und mit scharfem Blick fliegen sie auf der Backbord-Seite in der gleichen Geschwindigkeit wie das Fischerboot.
Schon beim Heraufziehen des Netzes wurden sie auf uns und die fischige Fracht aufmerksam.
Die Ausbeute ist eher mager, beim Sortieren wird mehr über Bord geworfen als in den roten Kübel. Jetzt ist keine Garnelen-Saison, die geht erst wieder Mitte August an. Auf der „Cragon“ wird das Leben der Fischer das ganze Jahr über Interessierten gezeigt.
William war nicht immer Krabbenfischer. Früher fuhr er zwei Wochen am Stück mit dem Fischerboot zur See, gefolgt von drei Tage zu Hause. Kabeljau fischen in Island und Dänemark, eine Knochenarbeit.
Zurück im Hafen sind die Shrimps, trotz hohen Seegangs, per Hand fertig sortiert. Weniger als 5 Kilo Mini-Garnelen bringt die Mannschaft der Cragon mit nach Hause, sie werden nun gekocht.
William erkennt an der Farbe, wann die Garnelen fertig gekocht sind. Erst gräulich werden sie nach maximal 5 Minuten Kochzeit orangefarben aus dem Kochtopf geholt.
Jetzt kann man sie auch essen. Um den Panzer abzukriegen braucht es einiges an Gefühl. Mit einer leichten Drehbewegung wird er an einem der Glieder geknackt und dann das Fleisch heraus gezogen. Hätte ich eine Familie mit Garnelen zu versorgen würde sie vermutlich bei meiner langsamen Arbeitsweise verhungern.
Nach der ersten, noch warmen, Kostprobe verteilt der Kapitän die Beute unter uns „Leichtmatrosen“ als fischig riechendes Andenken an unser Abenteuer am Krabbenfischer Boot.
Die Krabbenfischer-Tour vor der Küste von Ostende ist ansich schon ein spannendes Abenteuer – aber es gibt noch mehr Spannung.
Unsere Mannschaft wurde von Luftpiraten gekapert. Ein ungeplantes Spektakel, von dem ich Euch im nächsten Beitrag erzähle.
Tipps & Infos zur Krabbenfischer-Tour in Ostende:
- Wer dabei sein möchte sollte unbedingt wasserfeste Schuhe, Gummistiefel oder Schuhe die nass werden dürfen anziehen. Unempfindliche Kleidung, Sonnenschutz (Kappe) und Sonnencreme gehören zum Fischer-Abenteuer ebenfalls dazu.
- Die Tour ist für Kinder und absolute “Leichtmatrosen” geeignet.
- Das Tolle an der Fischer-Tour ist, dass man am Fischerboot mitarbeiten kann. So ist die Bootsfahrt ein authentisches und hautnahes Erlebnis, wie die Arbeit der Krabbenfischer funktioniert. Und wer keine Lust zur Fischerarbeit hat kann auch nur zusehen.
- Es ist möglich, dass die Tour wegen hohen Seegangs oder wegen Schlechtwetters abgesagt wird.
- Das Boot ist ca. 4 bis 4,5 Stunden vor der Küste von Ostende unterwegs.
- Weitere Informationen gibt es bei www.crangon.be
Die Erfahrungen, Tipps und Hintergrundinformationen in diesem Beitrag wurden im Rahmen einer individuellen Pressereise auf Einladung von Visit Flanders in Wien. Wie immer bleibt meine Meinung in der Berichterstattung davon unberührt.
Nils says
Ich habe so eine Kutterfahrt auch schon mal mitgemacht. Es ist ein tolles Erlebnis auf See, vor allem, wenn man aus der Stadt kommt. Kann ich jedem nur empfehlen, wenn man mal an der Nordsee ist. Diese Kutterfahrt ist für groß und klein etwas.
Toller Bericht zur Krabbenfahrt
Alex says
Interessant, aber… für mich immer noch nichts. Ich brauche weder die Krabben, Fische, Krebse, das Meer… noch das schaukelnde Boot. Da bleibe ich lieber auf dem Festland, knipse ein schönes Foto des Kutters aus sicherer Entfernung und esse einen servierten Fisch zuhause oder im Restaurant. :P
Peter says
Hallo Gerhard!
Also da bin ich echt schon etwas neidisch! Ich bin schon so oft an Fischerbooten vorbeigelaufen und wollte mitarbeiten aber das Angebot habe ich noch nie gefunden. Schön, dass es sowas in Belgien gibt. Werde ich mal austesten müssen!
Liebe Grüße!
Andersreisender says
– Nils: Stimmt – meine absolute Empfehlung für Landratten und Leichtmatrosen die’s gerne einmal ausprobieren möchten. ;-)
– Alex: 1, 2, 3 Beiträge von der Küste musst Du noch durchhalten – dann gibt es wieder Beiträge von meiner Flandern-Reise aus sicherer Entfernung zum Meer. ;-)
– Peter: Macht wirklich Spaß und ist ein authentisches Erlebnis. Du weißt ja nun, wo Du die Arbeit auf einem Fischkutter testen kannst. Vielleicht gefällt es Dir so gut, dass Du zu einer langen Reise am Fischerboot aufbrichst? Wäre auch mal ein tolles Abenteuer. :-)
Peter says
Ich weiß nicht, ob ich mit einem so kleinen Kutter länger als nen Tag übers Meer schippern will. Mir wird mittlerweile schon beim Busfahren schlecht, was auch erst seit einer üblen Fahrt in der Türkei so ist :-)
Andersreisender says
Ich denke nicht, dass die Fischer bei mehrwöchigen Touren auf so kleinen Booten hinaus fahren. Die sind dann bestimmt größer. Aber ob sie weniger schwanken? Ich bin im Magen in den letzten Jahren wesentlich stabiler geworden – mir wurde früher schneller schlecht. Aber Busfahrten können grausam sein – das kenne ich auch. 8-P
Jutta says
Ich liebe Krabben und das Pulen finde ich eigentlich ganz einfach! Wahrscheinlich hätte ich den anderen fix alles weg gegessen … : ) Ein schönes Erlebnis hattet ihr da! Aber sag mal: Die Ausbeute war hier nur gering, weil es eine Fahrt für Besucher war, oder? Oder schwindet der Bestand an Krabben dramatisch? Sonnige Grüße, Jutta
(PS: Diese Werbung ganz oben: Muss die sein …? Nicht für Ungut, aber irgendwie vergraut mich so etwas immer …)
Andersreisender says
Da bist Du scheinbar schon gut beim Pulen trainiert, Jutta. Bei mir braucht’s noch einiges an Zeit. ;-) Nein, die Ausbeute ist nicht wegen möglicher Überfischung so gering, sondern weil im Juli einfach keine Saison für Nordseegarnelen ist. Die geht erst Mitte September wieder los. Dann sollten die Garnelen auch wesentlich größer sein.
Wegen der Werbung: Ja, die muss sein. Sie finanziert die Ausgaben. Ohne Werbung kein Geld. Ohne Geld keine Reisen und keine technische Ausrüstung. Und ohne dem keine schönen Blogbeiträge. Aber dafür sind die Geschichten und Tipps hier im Blog kostenlos. Dank Werbung. ;-)
Jutta says
Ich schätze, es liegt daran, dass ich so gierig nach den Krabben bin. Da habe ich mir eine gute Technik angewöhnt :) Sind denn später – also ab September – auch die Krabbenfischer auf den Pferden unterwegs? Ich muss das unbedingt einmal live sehen erleben!
In puncto Werbung: Ja, klar, verstehe ich : )
Schöne Grüße, Jutta
Andersreisender says
Jutta: Die Krabbenfischer auf dem Pferd sind auch jetzt in den Sommermonaten unterwegs. Aber eben auch hauptsächlich zu demonstrationszwecken. Bei denen sind in den Sommermonaten auch die Netze ziemlich leer – die Saison beginnt wieder Mitte September.