Meerschweinchen spielen bei der indigenen Bevölkerung in Ecuador eine wichtige Rolle. Die Menschen in den Anden leben seit Generationen mit den Fellknäuel unter einem Dach. Schamanen nützen sie um Krankheiten zu Diagnostizieren und gelegentlich landet ein Meerschweinchen auch als Festessen am Grill.
„Cuy, cuy, cuy“ glucksen die Meerschweinchen in einer Ecke der Hütte vor sich hin. Als würden sie ihren eigenen Namen rufen. „Cuy“, so nennen die Ecuadorianer die Meerschweinchen. Abgeleitet vom Quechua Wort „Quwi“, das sich wiederum an die glucksenden Laute der Tiere anlehnt.
In Südamerika werden alle Sorten von Meerschweinchen so genannt, im deutschsprachigen Raum bezeichnet das Wort „Cuy“ allerdings nur besonders große Formen des Hausmeerschweinchens.
„Cuy, cuy, cuy“. Die Meerschweinchen schauen in dem kleinen Stall recht entspannt aus. Ob sie vor wenigen Tagen beim starken Erdbeben wohl laut gequiekt haben? Den Meerschweinchen wird nachgesagt, dass sie sehr feinfühlige Tiere sind. Sie werden kurz vor einem Erdbeben oder wenn ein Mensch mit negativer Energie in ihre Nähe kommt unruhig.
Darum leben die Menschen der indigenen Bevölkerung heute noch gerne mit ihnen unter einem Dach. Früher rannten die Meerschweinchen in den Häusern der Quechua Indianer frei und waren in den kalten Nächten in den Schlafstätten auch gerne als lebende Wärmeflasche gesehen. Heute haben sich die Lebensgewohnheiten aber verändert.
Obwohl mittlerweile verboten, sind sie noch gelegentlich Assistenten der Schamanen, leider mit einem etwas unrühmlichen Ende. Schamenen verwenden Meerschweinchen um negative Energien aus dem menschlichen Körper zu vertreiben, aber auch um Krankheiten bei Menschen zu diagnostizieren.
Dazu wird ein junges, lebendiges Cuy über den Körper des Patienten getrieben. Am Ende des Rituals tötet der Schamane das Meerschweinchen und öffnet es um die Organe zu untersuchen. Durch Verfärbungen oder Veränderungen zieht der Schamane Schlüsse über Krankheiten beim Patienten.
Nicht nur bei den indigenen Völkern gilt das Meerschweinchen als Delikatesse. In Ecuador wird es zu besonderen Anlässen serviert, etwa zum Geburtstag oder bei Hochzeiten. Dabei ist das Cuy nur ein Teil des Festmahls, zusätzlich werden beim Hauptgang Huhn, Salat und Kartoffel serviert.
Meerschweinchen als Spezialität
In speziellen Restaurants werden Meerschweinchen gegrillt. „Cuyes Asados“ steht bei solchen Gasthäusern auf den Werbetafeln, oft steht auch der Holzkohlegrill werbewirksam vor dem Restaurant.
Zugegeben: Die Cuyes am Spieß sind ein sehr gewöhnungsbedürftiger Anblick. Traditionell wird das Meerschweinchen inklusive Kopf auf einen Holzspieß gesteckt und dann gegrillt. Leber und Niere kommen auch auf den Grill und baumeln bei jeder Umdrehung aus dem Inneren des Tiers heraus.
Lilia Cardenas betreibt seit sieben Jahren das Restaurant Joy’s in Quito in der Nähe des Äquator Denkmals. Sie hat die Zubereitung der Cuyes Asados von ihrer Mutter gelernt. Vor dem Grillen werden die Meerschweinchen gewürzt, u. a. mit Ziebel, Knoblauch, Limetten, Basilikum, Salz, Pfeffer und Öl.
Ich probiere gerne die Spezialitäten des Landes und bin neugierig, wie Meerschweinchen schmeckt. Das Meerschweinchen am Holzstab sieht, roh und gegrillt, etwas gruselig aus.
Erst wird mir aber ein Teller mit Gemüse serviert. Kartoffel, Tomaten, Avocados und Salat. Die Beilagen, die zum gegrillten Meerschweinchen serviert werden. Lilia bereitet in der Zwischenzeit in der Küche das Meerschweinchen vor.
In dem einfachen Restaurant ist es jetzt ruhig, ich sitze als einziger Gast an einem weiß-blau gedeckten Tisch. Kein Wunder, kurz nach 16 Uhr ist fast niemand hungrig. An der Straße werben Mitarbeiter mit großen Flaggen und Werbeschilder mögliche Kunden an – vorerst vergeblich. Im Fernsehgerät des Restaurants singen und tanzen die Volkstanzgruppen nur für mich.
Lilia kommt mit einem Teller auf mich zu. Genauso wie am Grill ist der Kopf des Meerschweinchens nach wie vor dran, der Braten liegt jetzt flach auf dem Teller und das Meerschweinchen zeigt mit weit aufgerissenem Maul seine Zähne. An diesen Anblick muss man sich erst einmal gewöhnen. Aber Fisch wird in Europa auch mit Kopf serviert. Und wir haben uns daran gewöhnt.
Wie auch Grillhendl darf man Cuy mit den Fingern essen. Vorsichtig ziehe ich den ersten Teil der Haut ab. Sie ist knusprig und wirft kleine Hitzebläschen.
Mit einem lauten „knack“ breche ich die Haut und das Fleisch kommt zum Vorschein. Viel ist an einem solchen Meerschweinchen ja nicht dran. Nach einer dünnen Hautschicht sind schon die Rippen zu sehen.
Wie wohl so ein Meerschweinchen schmeckt? Nach der knusprigen Haut versuche ich ein Stück Fleisch.
Es ist hellbraun, zwischen Haut und Fleisch befindet sich eine dünne Fettschicht. Für meinen Versuch entscheide ich mich für einen der Schenkel, da ist mehr Fleisch dran.
Tja… was soll ich sagen? Meerschweinchen schmeckt nach… Meerschweinchen. Es ist ein eigener, besonderer Geschmack. Manche meinen, dass es ähnlich wie Huhn oder Hase schmeckt. Aber nein – irgendwie ist der Geschmack nicht mit dem Fleisch dieser Tiere vergleichbar.
Meerschweinchenfleisch hat einen intensiveren Eigengeschmack als Huhn, am ehesten lässt sich die Beschaffenheit des Fleisches mit dem eines Hasen vergleichen. Fest und saftig.
Trotz meiner anfänglichen Skepsis bin ich überrascht, dass ich von einem Meerschweinchen satt werde. Auf den ersten Blick ist nicht viel Fleisch dran. Die Beilagen machen das Essen zu einem vollwertigen Menü.
Die spezielle, kulinarische Erfahrung ein Meerschweinchen zu essen kostet in Joy’s Restaurant in Quito übrigens 25 US-$ kostet.
Wie sieht’s aus: Würdest Du – sofern Du nicht Vegetarier bist – Meerschweinchen in Ecuador probieren? Oder schrecken Dich Spezialitäten in fremden Ländern eher ab?
Die Erfahrungen, Tipps und Hintergrundinformationen in diesem Beitrag wurden im Rahmen einer individuellen Pressereise auf Einladung von Quito Tourismus recherchiert. Wie immer bleibt meine Meinung in der Berichterstattung davon unberührt.
Simone says
Ich fand sie sehr lecker, Gerhard. Und sie sehen wirklich gruselig aus, so am Spieß. Mich haben sie irgendwie unangenhem an Ratten erinnert ;-)
Aber geschmeckt hat es :-)
LG Simone
Claudi says
Ein wirklich detaillierter Bericht! :D
Ich habe mir dieses Vergnügen damals nicht gegönnt – und ärgere mich bis heute darüber. Sollte ich noch einmal nach Ecuador oder Peru kommen… ;)
Lg, Claudi
Jutta says
Ich hab’s nicht übers Herz gebracht … Übrigens hatte sich der Geselle auf deinem Teller die Zähne nicht geputzt : ) Alles eine Frage des Blickwinkels: In Belgien isst man Pferdefleisch. Also Grenzen beim Probieren sehe ich heute nicht beim Tier selbst, sondern bei der Art der Zubereitung. Es gibt da ja ganz fragwürdige Dinge. Wer grundsätzlich kein Fleisch ist, hat da sicher seine eigene Meinung und das ist in Ordnung. Ich meine ja, dass man ein Land erst dann richtig kennengelernt hat, wenn man sich (zumindest halbwegs) einmal durch die lokale Küche gefuttert hat! Sonnige Grüße, Jutta
Martina says
Ich knn verstehen, dass Du es probiert hast. Ich hätte mich wohl nicht überwinden können, wenn es so ausgestreckt vor mir gelegen hätte … Hauptsache, Du probierst nicht irgendwo mal gebratener Hund aus … ????
Viele Grüße
Martina
Valentin says
Also mir hat man damals gesagt, dass der Kopf deswegen dran bleibt, damit man sicher sein kann, dass es auch ein Cuy ist. Sonst könnte ja auch Ratte oder dergleichen serviert werden ;)
Alex says
Ich glaube da würde ich dankend ablehnen. Habe zwar selbst auch schon einmal, zB Alligator gegessen, aber alleine bei den letzten Fotos hier, habe ich schnell nach unten gescrollt. Aber… jedem sein Geschmäckle! :)
tonari says
Ich habe schon in aller Herren Länder diverse ungewöhnliche Dinge probiert, aber ich glaube, bei diesem Anblick hätte ich mich sehr überwinden müssen. Besser wäre eine Art Gulasch oder kleinteilig wie bei Gyros. Das ist undefinierbarer ;-)
Andersreisender says
– Simone: Stimmt – die haben was “rattiges”. Valentin erklärt weiter unten, dass wegen der möglichen Verwechslungsgefahr mit einer Ratte der Kopf am Meerschweinchen dran bleibt. Macht Sinn. :-)
– Claudi: … dann gibt’s Ratte – äh – Meerschweinchen vom Grill. Oder? :-)
– Jutta: Da bin ich ganz bei Dir. Ja, es gibt Grenzen die – wenn – dann meist in der “modernen” Küche überschritten werden. Da gibt es einiges, das ich nicht probieren würde und auch verurteile. Fisch der in Japan nur zur Hälfte gegrillt wird und auf der anderen Seite roh ist und noch lebt. Im Fernsehen gesehen, in meinen Augen pervers. Oder einem lebendigen Affen das Hirn auslöffeln. Soll es angeblich in China geben. Einfach unfassbar. Ich bin Fleischesser, bin aber trotzdem Tierlieb.
Auf Reisen finde ich es wichtig sich mit der unterschiedlichen Küche auseinander zu setzen und zu akzeptieren, dass in anderen Länder auch anderes gegessen wird. Das heißt nicht, dass immer alles schmecken muss (ich denke da an meine Vogelspinnen in Kambodscha. Über den Umgang mit Speisen, Lebensmitteln und Tieren hat man aber oft einen besseren Einblick in die Kultur. Umgekehrt: Schon einmal einem Vietnamesen von Käse erzählt? Den beginnt es zu würgen, “faule Milch” würde er nie essen. ;-)
– Martina: Hund und China passen nicht zusammen. Ich hab’s damals nicht probiert. Aber es soll in manchen Städten eigene Straßen mit “Hunderestaurants” geben.
– Valentin: Heißer Tipp! Dankeschön! (siehe auch weiter oben) :-) Bei Hasen ließ man früher bei uns auch eine Pfote dran, damit man weiß, dass es sich nicht um einen “Dachhasen” (Katze) handelt.
– Alex: Der Alligator hat Dich aber nicht am Teller angeschaut, so wie das Cuy – oder?
– Tonari: Danke für Deine Meinung. Ja, das “verniedlichen” des Fleisches ist so eine Sache. Wenn das Tier einen am Teller anschaut oder es als ganzes am Spieß hängt finden es viele “grauslig”. Auch ich fand es beim Meerschweinchen “gewöhnungsbedürftig”. Ist es aber in mundgerechte Stücke geschnitten oder in eine andere Form gepresst dann schmeckts. Wie wäre es mit Meerschweinchenstäbchen? ;-)
Alex says
Nee, nicht von Angesicht zu Angesicht. ;)
Hat ganz sanft geschmeckt und an Hühnchen erinnert.
Guten Appetit! :D
Jutta says
Hallo Gerhard, ich hatte in der Tat den halb lebendigen, halb toten Fisch vor Augen! Auch ich habe das im TV gesehen. An den Affen möchte ich erst gar nicht denken … Ja, genau, in Asien ist Käse echt Käse : ) Viele Grüße,
Jutta
Kathrin says
Also das gebratene Meerschweinchen sieht richtig schräg aus. Kosten würde ich es vielleicht, aber eine ganze Portion? Weiß nicht…
lg kathrin
Melanie says
Hi Gerhard,
also Meerschweinchen fehlt mir noch auf meiner Liste… ich finde es sieht nicht sehr appetitlich aus, weil da halt das Tier im ganzen auf dem Teller liegt. Die Ratten in Vietnam waren zerteilt, das sah dann irgendwie normaler aus. Aber im Grunde genommen ist es auch nichts anderes als ein kleines Spanferkel, oder? :) Also ich würde es sehr gerne einmal probieren!
Liebe Grüße
Melanie
Andersreisender says
– Alex: Ebenso “Mahlzeit” :-)
– Jutta: Da hatten wir dann offensichtlich das gleiche Bild vor Augen. Nein, das geht wirklich nicht. Und würde ich niemals machen.
– Kathrin: Sonst mit Jakob teilen. Wäre das was? ;-)
– Melanie: Oh… Ratten in Vietnam? Da ist mir etwas entgangen. Ich habe dort angebrütete Enteneier probiert. Ohne Kopf sieht vieles gleich “harmloser” aus. Die Ratte ganz bestimmt auch. ;-)
Anja says
Also meiner Meinung nach muss man ja nicht alles essen. Wenn ich so in unseren Meerschweinkäfig schaue und stell mir vor, wie die Nager aufm Grill liegen, da wird mir doch ein wenig anders. Aber die Kulturen sind nun mal unterschiedlich. Wir hier essen eben auch Hasen, die wir vorher gestreichelt haben und finden das normal. Gut, ich nicht, ich esse nix, was ich persönlich gekannt habe und auch nichts mit braunen Augen (zb Wild) :) Aber gut, jeder hat seine Vorlieben. Auf jeden Fall fand ich den Bericht sehr informativ. Werde mich nun noch weiter auf dem Blog umsehen. Vielen Dank :)
Andersreisender says
Anja: Bei “persönlich bekannten” Tieren wird es gleich um einiges schwieriger ein Tier zu essen. Ich könnte wahrscheinlich die Meerschweinchen aus Deinem Käfig auch nicht mit genuss essen. Ganz zu schweigen, dass ich sie töten könnte. ;-)
Was in welchem Land gegessen wird und vor was den Menschen ekelt ist tatsächlich eine kulturelle Angelegenheit. Darum bleibt der Blick in die Kochtöpfe nicht nur in Ecuador spannend. :-)
Nord-Peru Reisen says
Endlich mal ein objektiver Meerschweinchen-Bericht !! Viele finden es ganz furchtbar, wie man nur Meerschweinchen essen kann. Aber hier in den Anden (in Peru, Ecuador, Bolivien), ist das nun mal ganz normal. Wie Du schon sagst, wie Fisch mit Kopf. Und ich gebe Dir auch recht, dass es viel Ähnlichkeit mit Hase hat.