…liegt viel weiter zurück als Du denkst. Vor 20 Jahren schrieb ich einen Brief nach Ecuador und bekam mehrere Wochen später eine Antwort.
“A stroll down the historical streets of ‘Old Quito’ is an experience not soon forgotten.” Diese Zeilen weckten schon damals Fernweh in mir, auch wenn an Fernreisen als 16jähriger noch lange nicht zu denken war.
Doch wer war nun dieser Absender, der mir Quito als unvergessliches Erlebnis schmackhaft machte? Er hat etwas mit meinem Hobby von damals tun. Einst ein weltverbindendes Hobby, der technische Fortschritt hat es heute so gut wie ausgerottet.
24. September 1994. Die Uhr in meinem Zimmer zeigt 23:10 Uhr, die Digitalanzeige des Geräts vor mir springt gerade auf 21:10 Uhr. Sie ist die “Weltzeit”, nach der sich alle richten, die mit Funk und weltweiter Kommunikation zu tun haben. Auch die Radiomacher von HCJB World Radio in Quito halten sich daran und strahlen seit wenigen Minuten ihr deutschsprachiges Programm aus.
Südamerikanische Klänge im steirischen Radio
21:10 UTC notiere ich auf dem Blatt, das vor mir liegt. Und die Frequenz 15.270 kHz. Über sie empfange ich die “Stimme der Anden”, wie das Programm von Radio HCJB auch genannt wird.
In meinem Weltempfänger höre ich die Sendung des ältesten Missionarssenders der Welt, immer wieder werden die Stimme des Sprechers und die lateinamerikanische Musik durch Störungen in der Atmosphäre verzerrt.
10.324 Kilometer von meinem damaligen Heimatort Kindberg in der Steiermark liegt Quito entfernt. Ich höre das Radioprogramm von dort, ganz ohne Satellitenverbindung, über Kurzwelle.
Damals, als 16jähriger, interessierte mich weniger die mögliche missionarische Wirkung der Stimme aus Quito. Ich war mehr an der technischen Seite interessiert. Als Kurzwellenhörer, der mit seinem kleinen Radio auf der “Jagd” nach Radiostationen war. Kurz DXer genannt.
Kurzwelle – Das Fenster nach Quito
Doch wo ich nun der Unterschied zwischen Kurzwelle und dem “herkömmlichen” UKW-Radio? Die Radiosender der Ultrakurzwelle (von Antenne Bayern über NDR 1 bis 5 und Ö 3 bis hin zu Radio Z in Nürnberg) sind in Sichtweite des Senders mit immer annähernd gleichbleibender Qualität empfangbar.
Die Ausstrahlungsbedingungen der Mittel- und Kurzwellensender verändern sich allerdings im Tagesverlauf. Sie sind nicht nur in Sichtweite des Senders, sondern – vor allem bei der Kurzwelle – über viele tausend Kilometer zu hören. Die Wellen werden in der Ionosphäre reflektiert.
Viele verschiedene Parameter spielen mit, ob eine Station gut zu hören ist oder nicht. Mit meinem kleinen Weltempfänger und der eingebauten Antenne waren bei mir die technischen Möglichkeiten begrenzt. Hobbykollegen nutzen damals riesige Antennen am Dach und hochempfindliche Empfänger.
Post aus aller Welt
Auch mit dem kleinen Gerät konnte ich viele Radiosender aus aller Welt empfangen. Und auch das Programm aus Quito. Um die Stationen über die Empfangsqualität vor Ort zu informieren wird vom Hörer ein Empfangsbericht verfasst und per Post an den Radiosender gesandt. Die Station erhält so Informationen über die technische Verbreitung ihres Programms. Mit etwas Glück bekommt man nach einigen Wochen eine QSL-Karte von der Radiostation zurück. Sie ist die Antwort des Senders auf einen Empfangsbericht.
Soweit ich mich erinnere war HCJB Radio einer der leicht zu empfangenden Sender. Schon in den 1990er Jahren waren die Kurzwellenstationen aber nicht mehr auf Empfangsberichte aus aller Welt angewiesen, um ihre Verbreitung zu überprüfen. QSL-Karten waren aber weiterhin eine sympathische Möglichkeit der Hörerbindung.
Ich konnte es damals kaum erwarten von der Schule nach Hause zu kommen, im Briefkasten fand sich täglich Post aus aller Welt. Briefe mit QSL-Karten und manchmal kleinen Geschenken drin. Die QSL-Karten sehen aus wie Ansichtskarten. Oft mit Motiven aus den jeweiligen Ländern in denen sich die Radiostationen befinden. Die Karte aus Quito hat über die Jahre im Rahmen an der Wand an Farbe verloren. “Colonial Quito” habe ich bunter in Erinnerung.
Die QSL-Karte kommt mit nach Ecuador
Neben den religiösen Sendungen erfährt man auf Radio HCJB auch einiges über Südamerika und vor allem über Ecuador. Für mich war es über mein Kurzwellenradio der erste Kontakt mit Ecuador und Quito.
20 Jahre später freue ich mich nun über einen persönlichen Besuch. Die QSL-Karte von HCJB mit der Straßenansicht aus “Colonial Quito” von 1994 ist mit im Gepäck.
Ob ich die Gasse im heutigen Quito noch finden werde? Ich habe ehrlich gesagt keinen Anhaltspunkt wie die Straße heißt. Vielleicht ist es eine der bekannten Flaniermeilen Quitos? Für Tipps bin ich dankbar!
Einen Bummel durch die historischen Straßen von “Old Quito” werde ich auf jeden Fall unternehmen. Ich bin gespannt auf das vor 20 Jahren versprochene “unvergessliche Erlebnis”.
Tanja says
Da drücke ich mal die Daumen, dass du fündig wirst. Tipps habe ich leider kein, war auch nicht da. Herrlich, dass aus dem kleinen Radiohörer ein solcher Geschichtenerzähler wurde ;-)
Viele Grüße, Tanja
Walter says
Lieber Gerhard, Dich hat wohl schon immer in die weite Welt gedrängt :-)
Veronica Reichstein says
Leider kann ich dir nicht weiterhelfen da ich selbst lange nicht in Quito war. Aber auf jeden Fall weiß ich jetzt schon dass du positiv überrascht sein wirst über den heutigen Quito. 2010 war ich das letzte Mal Zuhause. Hoffe dass die mehrere Erdbeben aufgehört haben damit du deine Entdecker Reise genießen kannst.. :-)
Claudi um die Welt says
Es war also schon lange eine schicksalhafte Bestimmung, dass du nach Quito reisen musst! :) Schöne Geschichte und ich hoffe, Quito wird dir gefallen! Wir werden es mitverfolgen, wenn du die Straße suchst ;) Viel Spaß in Ecuador!!
Liebe Grüße
Claudi
Andersreisender says
– Tanja: Dankeschön! Ich bin schon sehr gespannt! :-)
– Walter: Ja, es gibt so viel zu entdecken. Liebe Grüße vom Flughafen in München. :-)
– Veronica: Ich denke auch, dass es sich in Quito wieder beruhigt hat. Ich bin schon sehr auf die Stadt gespannt. Wegen der Straße auf dem Bild habe ich schon einen Tipp auf Facebook bekommen. Ich kopiere den Kommentar mal hier herein: “Das müsste eigentlich die Calle Chile im historischen Stadtzentrum sein. Oben links um die Ecke liegt dann die Plaza Grande…heute in einer Woche kannst du da auch langbummeln!”
– Claudi: Manche Reisen brauchen einfach etwas Vorlaufzeit. Wie heißt es so schön: Vorfreude ist (angeblich) die schönste Freude. :-)