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Freitag, 17. Juli 2009
Überpünktlich treffen sich meine Reisegefährtin Bruni und ich am Salzburger Hauptbahnhof. So erreichen wir noch spielend den Railjet um 15 Uhr nach Wien.
Flugzeug auf Rädern
Das trifft sich gut, denn es wird Zeit diesen neuen “Flieger auf Rädern” der ÖBB einmal zu testen.
Wie im Flugzeug gibt es Business-Class, First-Class und Economy-Class, die auch gleichzeitig die zweite Klasse ist. Den Zug kann man ohne Aufschlag mit einem normalen ÖBB-Ticket benützen. Die Sitze in der Economy-Class sind bequem, es es steht für die Beine genügend Platz zur Verfügung. Auch das Servicepersonal ist ausgesprochen freundlich.
Das Bistro sowie das rollenden Bordservice wird von “Meinl am Graben” in Wien betrieben. Eine besonders gelungene Idee finde ich die Espresso-Maschine, mit der ein sehr guter Kaffee direkt am Sitzplatz angeboten wird.
Im gesamten Zug wird man auf Monitoren über die Fahrtgeschwindigkeit, derzeitige Position und die nächsten Bahnhöfe informiert. Schade, dass Verspätungen und außertourliche Halte nicht angezeigt werden. Da ein Teil der Züge von München über Salzburg, Linz und Wien bis Budapest fährt, sind die Bord-Ansagen und Bahnhofsansagen in Wien in Deutscher, Englischer und Ungarischer Sprache. Die ÖBB-Stimme Chris Lohner beschränkt sich allerdings auf die Englische und Deutsche Version.
Im “Dacia” von Wien nach Bukarest
Bereits vor dem Umsteigen am Wiener Westbahnhof wird uns klar, dass wir im Schnellzug “Dacia” nach Bukarest nicht mehr so komfortabel unterwegs sein werden, wie im Railjet. Aber wir freuen uns trotzdem und planen bereits nach dem Bezug des Schlafwagens gleich im Speisewagen zu Abend zu essen und ein “Begrüßungsbierchen” zu trinken. Zwar war auf unserer Reise im Vorjahr die Speisenauswahl im Rumänischen Bordrestaurant stark eingeschränkt, aber alles wurde frisch zubereitet. Und das hat uns gefallen.
Auf der Suche nach unserem Wagen stellen wir fest, dass es ein und die selbe Waggonnummer zweimal gibt – aber dafür keinen Speisewagen. Auf Nachfragen bei einem Schaffner folgt auch schon die bestätigende Ernüchterung: “No beer today!”. Schade – aber noch wichtiger: Es muß der richtige Schlafwagen gefunden werden. Ein anderer Schlafwagenschaffner klärt uns freundlich auf “Meiner ist der Richtige, den anderen gibt es eigentlich gar nicht”. So weit so gut – Abteil gesucht, gefunden und besetzt.
Die Hitze im Abteil ist unerträglich, da das Fenster nicht zu öffnen ist. Wir erhoffen uns Abkühlung, sobald sich der Zug in Bewegung setzt und alle Lüftungen in Betrieb sind. Fehlanzeige: Auf Nachfragen beim Schaffner erfahren wir, dass das Fenster defekt ist. Auch die Lüftung gibt keinen Mucks von sich und eine Kurbel zum Öffnen des Fensters fehlt. In ein anderes Abteil können wir leider nicht ausweichen. Also versuche ich die Kurbel zu reparieren, denn unter diesen Umständen kann man keinesfalls die 18 Stunden bis Bukarest in diesem Abteil bleiben.
Nun kommt mein Taschenmesser erfolgreich zum Einsatz, das von meiner Transsib-Reise noch in meinem von uns scherzhaft genannten “Sibirien-Survival-Kit” in meinem Rucksack steckt. Nachdem das halbe Fenster zerlegt und eine neue Kurbel aus einem anderen Abteil eingebaut ist haben wir die Gewissheit – das Fenster geht nicht auf. Unserem sehr bemühten Schaffner ist dies sichtlich peinlich – er schwitzt mit uns und sieht mir beim Rückbau zu.
Anscheinend ist das Problem mit dem kaputten Fenster bereits seit längerem bekannt – wir ärgern uns, dass für dieses Abteil trotzdem Fahrkarten verkauft werden. Wir erhalten einen Tipp, dass ein Reserve-Waggon (der zweite Waggon mit der selben Nummer) an diesem Zug angehängt ist und dieser leer ist. Das Problem: Er wird von der Rumänischen Eisenbahn und nicht von der Österreichischen Bundesbahn betrieben. Aber vielleicht gäbe es da eine Möglichkeit…
Es gibt in “Zusammenarbeit” mit Rumänen immer Wege, und vor allem Mittel, damit alle zufrieden sind.
Wir überbrücken die Zeit bis zum Umzug ins neue Abteil mit einem Test der “Abteilbar” des Österreichischen Speisewagens: Debreziner und ein Bier – man läßt uns, trotz fehlenden Speisewagens, nicht verhungern. Kurz nach Budapest übersiedeln wir vom schon leicht in die Jahre gekommenen ÖBB-Waggon in den Reserve-Wagen. Wir sind äußerst angenehm überrascht, haben wir uns doch unter einem Rumänischen Schlafwagen etwas anderes vorgestellt. Ein angenehm kühler Luftzug der Klimaanlage kommt uns beim Öffnen der Abteiltüre entgegen. Uns wird das Badezimmer im Abteil (!) mit eingebautem WC, Dusche und Waschbecken gezeigt. Luxus pur – so läßt sich’s reisen! Leider funktioniert im Bad das Licht nicht, aber die Taschenlampe aus dem “Sibirien-Survival-Kit” löst auch dieses Problem im Nu.
Auch dass der Strom kurzfristig komplett ausfällt ist kein Problem, denn wir richten uns bequem für die Nacht ein. Der Schlaf wird trotzdem noch zweimal gestört. Trotz EU wird an der Ungarisch-Rumänischen Grenze kontrolliert. In Ungarn kurz nach zwei Uhr in Lököshaza, in Rumänien am Grenzbahnhof Curtici. Außerdem muß wegen der Zeitverschiebung die Uhr um eine Stunde vorgestellt werden – es gilt Osteuropäische Zeit. Nach den Kontrollen klopft nochmals der Schaffner und weist nochmals darauf hin, die Abteiltür gut zu versperren. Die normale Verriegelung sowie eine Türkette und ein Bolzen, die nur von innen zu öffnen sind, sollten uns einen guten Schlaf garantieren.
Samstag, 18. Juli 2009
Guten Morgen Transsilvanien
Gut gekühlt schlafen wir blendend und werden erst von meinem Wecker gegen acht Uhr geweckt. Eine fast unwirkliche Welt offenbart der Blick aus dem Zugfenster. Die reizvolle Landschaft Siebenbürgens, auch Transsilvanien genannt, zieht im Nebel vorbei.
Doch Rumänien hat leider nicht nur schöne Landschaften zu bieten. Im ganzen Land sieht man unzählige Ruinen von stillgelegten Fabriken, die unter dem Diktator Nicolae Ceausescu einfach in die Landschaft gebaut wurden. Neben der Bahnstrecke, 12 km vor der Stadt Mediasch, steht eines dieser “Denkmäler”. Die kleine Ortschaft Copsa Mica (zu Deutsch Kleinkopisch) in Siebenbürgen ist durch seine “giftige” Vergangenheit in die Geschichte eingegangen.
Die dort bis zu Beginn der 2000er Jahre betriebene Rußfabrik und die noch immer nicht stillgelegte Buntmetallhütte machen diesen kleinen Ort zu einem der vergiftetsten Orte Europas. Die Bevölkerung litt unter dem Rußnebel, der die Häuser grau bis schwarz färbte. Die Vegetation um die Fabrik wurde derart nachhaltig geschädigt, dass die Hügel in der Umgebung nach wie vor sehr dünn bewachsen sind. Die Buntmetallhütte verseucht bis heute das Erdreich in der Umgebung.
Eine weitere Bausünde Cheaucescus sind die Plattenbauten, die man in fast jeder Ortschaft findet. Hunderttausende Menschen wurden aus ihren Häusern dorthin umgesiedelt. Die desolaten Gebäude bestimmen das Bild der Städte Rumäniens und ergeben in Kombination mit den aus den Boden schießenden “Konsumtempel” der expandierenden Lebensmittelketten wie Billa, Penny & Co. oft ein groteskes Bild.
Trotzdem sollte man sich von diesen Bildern nicht abschrecken lassen, denn Rumänien hat viel mehr zu bieten. Wir sind schon sehr neugierig, was auf uns in Bukarest wartet. Leider müssen wir uns aber noch gedulden, denn unser Zug hat aus unerklärlichen Gründen 70 Minuten Verspätung. Das ist nur eines der vielen Eigenheiten der Rumänischen Eisenbahn. Darum wird es darüber in den kommenden Tagen ein eigenes Kapitel geben. Wir sehen uns wieder – am Bahnhof Bucuresti Nord ;-)
Zum Kapitel “Rumänien 2009 (3) Bucuresti” geht’s hier>>
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(Hinweis: Leider können die Rumänischen Sonderzeichen in diesem Beitrag nicht dargestellt werden)
Stefan says
Ich muss ja zugeben: Rumänien steht nicht gerade auf meiner Reise-to-do-Liste.
Aber zumindest die oberen Bilder sehen nett aus.
Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß und eine eindrucksvolle, intensive Tour!
Den Transsib-Bericht werde ich mir in den nächsten Tagen mal ansehen; das wäre schon eher mein Ding. (Eine China-Rundreise habe ich bereits gemacht).
Gruß
Stefan
Gerry says
Hallo, Stefan! China-Rundreise wäre auch sehr interessant – das kommt bestimmt auch noch bei mir dran. Da gibt es ja jede Menge zu entdecken :-) Rumänien war sehr eindrucksvoll – in den nächsten Tagen gibt’s die weiteren Kapitel :-)
Michael Willebrand says
Interessanter Bericht,
kann ich in nahezu jeden Punkt bestätigen. Hätte gern ein ein wenig von den Kirchenburgen und den Sachsendörfern gelesen (die jetzt von Zigeunern bbewohnt werden, die aber insgesamt den außerordentlichen Reiz und die Einmaligkeit dieses Landschfts- und Kulturraumes ausmachen.
M.Willebrand
Andersreisender says
@Michael: Willkommen im Anders Reisen Blog! Von den Kirchenburgen – vor allem jene die lt. Dir von Zigeunern bewohnt werden – kann ich Dir nicht viel erzählen, da ich sie selbst nicht gesehen habe. Bezüglich der Sachsendörfer, ich vermute Du meinst die Dörfer und Städte in Siebenbürgen, kann ich gerne demnächst mal berichten. Denn von jenen habe ich schon ein paar gesehen. Ein Ort, der zB. mitten in Siebenbürgen liegt ist zB. Ocna Sibiului, zu Deutsch Salzburg. Darüber habe ich kürzlich mal berichtet.
Florian Meier says
Den Zug gibt es noch und wenig hat sich verändert, außer dass die Fabriken weniger rauchen. Die rumänischen Schlafwagen sind sehr bequem und immer wenn man gerade daran denkt, kommt der Schaffner mit einem Kaffee für 5 Lei (ca. 1EUR) vorbei. Wenn man sich in Wien mit Reiseproviant versehen hat, ist alles gut. Die Landschaft ist großartig. Die doppelten Grenzkontrollen gibt es noch und laufen freundlich aber etwas schlafraubend ab. Manche Stationen sind schon richtig fesch renoviert, andere wirken als sei die Zeit stehengeblieben. Der Zug wechselt zwischen flotter Fahrt (Ostungarn und kurz vor Bukarest) und beschaulichem Dahinrollen ab. Spektakulär ist auch die Karpatendurchquerung hinter Brasov. Achtung, manchmal wird mit offener Tür angefahren!