Dienstag, 21. Juli 2009
Omelette, Schafskäse, Gurken, Marmelade, Butter, Weißbrot und Leberpastete vom Schwein – so sieht unser “einfaches”, rumänisches Frühstück aus.
Dann sind wir schon mit dem Boot, gemeinsam mit Barbara (Spanien) und Fabian (Schweiz) zu den Sanddünen von Letea unterwegs. Nach Verlassen des begradigten und breiten Sulian-Arms tut sich eine herrliche Naturkulisse auf. Stille – nur unterbrochen vom Flügelschlag der Wasservögel – rund um uns. Möwen, Reiher, Kormorane, Pelikane, und und und. Nicht umsonst ist das Donaudelta ein Paradies für Ornithologen (Vogelkundler).
Unser Wasserweg nach Letea ist gesäumt von Seerosen, deren Blätter Fröschen als Aussichtsplattform dienen. Das Wasser ist beinahe spiegelglatt und verzerrt seine Umgebung auf interessante Weise.
Immer wieder fahren wir in noch kleinere Kanäle, die weit verzweigt das Donaudelta durchziehen. Man kann sich nicht vorstellen, dass hier irgendwo Menschen leben. Und doch: Plötzlich taucht ein Ankerplatz auf, von dem man bereits die Kirche sehen kann: Letea – wir sind da!
Von hier aus geht es am Landweg weiter. Zwei Pferdestärken ziehen unseren Wagen die letzten Kilometer zu den Sanddünen. Unsere beiden “Chauffeure” sind noch im Schulalter und bevor wir noch richtig sitzen, setzt sich unser Gespann Richtung Letea in Bewegung.
Die Lipowaner von Letea
Das zweisprachige Ortsschild mit Lateinischer und Kyrillischer Aufschrift gibt Auskunft über die Bewohnern des kleinen Dorfes. Im Donaudelta lebt die russiche Minderheit der Lipowaner (auch Lipovaner, Lippowaner genannt). Sie sind altgläubige orthodoxe Christen, die vor den Glaubensreformen in Russland in das schwer zugängliche Gebiet der Norddobrudscha flohen. Sie sprechen auch heute noch eine sehr alte Form der russischen Sprache. Alle Details zu den Lipowanern und in welchen Gebieten der Ukraine und Rumäniens sie wohnen weiß Wikipedia.
Wie in den meisten Orten des Donaudeltas spielen Autos keine Rolle. Auf Sandpisten rollt unsere Pferdekutsche vorbei an kleinen, liebevoll gestalteten Häusern, Gemüsegärten und Ställen. In der ruhigen Atmosphäre lebt der Ort mit seinen Bewohnern und den Tieren. In den Gärten sieht man häufig Hunde, Pferde, Schafe, Ziegen, Gänse und Hühner.
Die Fahrt mit der Kutsche ist ja schon ein Erlebnis ansich. Der Weg führt uns hinaus aus der Stadt durch die “Steppe”…
…in einen Auwald, in dem man Schlingpflanzen, Schwarzpappeln und Steineichen findet. Im Frühling wird der Wald großflächig überschwemmt. Im Sommer trocknet dann der Wald aus und es folgt extreme Trockenheit.
Die tiefen und weit verzweigten Wurzeln der Bäume nutzen das Wasser, das unter den Dünen vorhanden ist. Mitten im Auenwald erheben sich die kilometerlangen und bis zu 15 Meter hohen Wüstendünen. Vor 13.000 Jahren lag hier die Küstenlinie, heute ist sie etwa 20 Kilometer weiter östlich zu finden.
Ich stellte mir die Sanddünen etwas anders vor, als ich sie in Letea letzten Endes vorfand.Vor allem habe ich nicht erwartet, dass darauf Grasbüschel wachsen. Wahrscheinlich ist dies nicht immer so und dieses Frühjahr war besonders regenreich.
Mit einem kurzen Trink-Zwischenstopp für unsere beiden Kutscher…
…geht es durch den Ort und vorbei an der Kirche…
…zurück zum Anlegesteg.
Durch die stimmungsvollen Kanäle gleiten wir vorbei an unzähligen Wasservögeln wieder zurück nach Crisan. Am Sulina-Arm kommen wir uns neben den Ozeandapfern in unserem “Schinakl” wirklich klein vor.
Nach einer gemütlichen Jause unter den Schilf-Schirmen an der Donau und einer entspannenden Siesta machen wir einen Dorfspaziergang durch Crisan. Eventuell wollen wir heute Abend nicht in der Pension, sonder “auswärts” essen. Doch leider stellen wir fest, dass das Restaurant in der Nähe des Anlegestegs geschlossen ist – somit dürfen wir uns heute Abend wieder über die Kochkünste unserer Gastgeber freuen.
Crisan ist wirklich so, wie man sich ein “verstecktes Nest” vorstellt. Wer Ruhe sucht, ist hier goldrichtig. Hier sagen sich nicht nur Fuchs und Hase sondern auch Hund und Katze Gute Nacht ;-)
Der Abend wird ähnlich dem gestrigen Ritual gestaltet. Abendessen (heute: Würstel, Bohnengemüse, Kartoffel, Gurkensalat, Nachspeise), Sonnenuntergang am Steg und Sternderlschauen am Balkon. Fast wären wir am “Trockenen” gesessen, behauptet doch eine der Gastgeberinnen, dass es kein Bier mehr gäbe. Es stellt sich dann aber heraus, dass der Kühlschrank gottseidank voll ist, allerdings nur noch mit Bier der Marke “Bergenbier”.
Das Bett habe ich heute Nacht für mich alleine. Bruni ist es im Zimmer viel zu heiß, darum siedelt sie in der Nacht auf den Balkon und lässt sich eine kühle Donaubriese um die Nase wehen. Morgen müssen wir wieder bald aufstehen, denn wir fahren zu den Pelikan-Kolonien und nach Mila 23. Wie’s uns im Donaudelta weiter ergeht, lest Ihr in den nächsten Tagen!
Hinweis: Die rumänischen Schriftzeichen können in diesem Beitrag leider nicht angezeigt werden.
Arven says
Wunderschön…Danke für diesen kleinen “Urlaub im Kopf”
Wie auch das letzte mal ich bin sehr beeindruckt von deiner Art zu schreiben und beschreiben.
Einfach toll, man ist ein bisschen mittendrinn…
Lieben Gruss
Andersreisender says
Huiii! So viel Lob! *rotwerd*
Das motiviert zum Weiterschreiben. Bräuchte nur ein bisserl mehr Zeit *seufz*
Arven says
Das mit der Zeit kenne ich :)
Auf alle Fälle ich freu mich schon wenn es weitergeht hier!
Lieben Gruss
Andersreisender says
Ja – mal sehen ob ich heute Abend zum Weiter-Schreiben komme, ansonsten bestimmt morgen. Die Reiseberichte arten wirklich in Arbeit aus. Aber es macht auch ziemlich Spaß :-)
Steffen Butzeck says
Ach schön, das zu lesen.Schreibe gerade Reisetagebücher aus den 80er Jahren ab, in denen ich mit Freunden jeden Sommer da per Faltboot einen guten Monat im Schilf unterwegs war. Von Dresden gings über Prag, Budapest-, Medgidia und Bukarest nach Tulcea, die Boote zusammengefaltet im Zugabteil dabei. Abenteuer begannen immer an der Grenze mit korrupten rumänischen Schaffnern. Wir wehrten uns! In der Ceaucescu-Zeit mussten wir täglich da draußen im Schilf unsere Ernährung sichern, oft unter abenteuerlichen Bedingungen fischen und unsere beiden Zelte irgendwo in den Wäldern nördlich des Sulina aufstellen. Es sind viele Freundschaften entstanden, besonders in Letea, wo wir um 1980 fast die einzigen waren, die da von außen rein kamen und Fotos der Vorjahre mitbrachten, Lebensmittel tauschten, oft auch zusammen mit den Familien kochten. Schön, das alles mal aus der Distanz der Jahre zu sehen und zu lesen. Ihr reist heute wirklich anders. Danke! Wer hat persönliche Kontakte nach Letea? Wüsste gern, wer von den Alten dort noch fischen geht, würde gern ein Bündel s-w Fotos hinschicken.
Steffen