Die Rush Hour in Mumbai ist nichts für Reisende mit schwachen Nerven. Die Vorortezüge sind am Morgen und am Abend hoffnungslos überfüllt. Die Fahrgäste drängen sich auf den Bahnsteigen und in den Waggons, trittbrettfahren gehört hier zum Alltag.
„Raus, raus, raus, raus, raus!“ schreien die einen, die anderen Fahrgäste drücken vom Bahnsteig schon entgegen. Der Vorortezug ist im Bahnhof Dadar noch nicht zum Stillstand gekommen, springen schon die ersten Fahrgäste ab. Sie haben gar keine andere Möglichkeit, der Druck von den anderen Fahrgäste hinter ihnen wird zu groß.
Schnell ändert sich das Kräfteverhältnis und die neuen Fahrgäste drängen vom Bahnsteig in den Waggon, ihr Rufen wird immer lauter. „Schneller, schneller, schneller!“ Schon ertönt das Tuten der Lokomotive und der Zug beginnt zu rollen.
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Immer noch springen Fahrgäste auf, der Waggon ist längst überfüllt.
Geschickt klammern sich die letzten Fahrgäste in der Türführung über ihnen fest, andere ergattern noch einen metallenen Haltegriff. Ein Fuß im Flipflop steht sicher an der Metallkante am Boden, das zweite Bein baumelt über dem Abgrund.
Der Zug nimmt Fahrt auf. 50, 60, 70 km/h. Die Züge der Mumbai Suburban Railway sind das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in Mumbai. Täglich fahren über sieben Millionen Passagiere mit dem S-Bahn ähnlichen System. Hauptsächlich fahren die Zügen in Nord-Süd-Richtung, im Zentrum sind Churchgate und der Chhatrapati Shivaji Terminus (Mumbai CST), früher Victoria Terminus genannt, die Endstationen.
Von den großen Kopfbahnhöfen fahren die Züge im Minutentakt ab. Zwischen 12 und 15 Waggons hat ein Zug, das wird auch als Kriterium auf den Abfahrtstafeln angegeben.
Auf langen Streckenabschnitten fahren „langsame“ und „schnelle“ Vorortezüge parallel nebeneinander. Die einen stoppen an allen Haltestellen, die „Fast Trains“ lassen zwei bis vier Haltestellen aus. Parallel zu den vier Gleisen für den Regionalverkehr fahren Fernzüge auf extra Gleisen.
Drei Millionen Fahrgäst werden täglich im Chhatrapati Shivaji Terminus abgefertigt, damit ist er einer der betriebsamsten Bahnhöfe der Welt. Am Kopfbahnhof ist das Ein- und Aussteigen zur Rush Hour relativ entspannt, im Waggon findet man oft noch einen Sitzplatz.
Jeweils drei Passagiere sitzen auf einer Bank. Ist der Zug voll wird zusammengerückt und es können dort vier Fahrgäste sitzen. Also acht in einer Reihe, geteilt durch den Mittelgang. Die Waggons sind etwas breiter als in Mitteleuropa. Die Züge fahren in Indien auf Breitspur, mit 1676 mm ist sie um gut 24 Zentimeter breiter als in Deutschland oder Österreich.
Jeder Zug ist in 1. Klasse, 2. Klasse, Frauenabteil, Behindertenabteil und Gepäckwagen für sperrige Güter unterteilt. So kann es sein, dass ein Abteil leer ist während nebenan die Fahrgäste am Trittbrett hängen.
Am Zugdach fährt in Mumbai niemand mehr mit. Große Tafeln warnen in Bahnhöfen vor der Gefahr eines Stromschlags. „25.000 Volt“ ist in roten Buchstaben darauf zu lesen. Die Kampagne und die Verbote scheinen zu wirken.
Auch das Hängen an der Türe ist verboten, aber das schert niemanden. Es scheint so, als würden viele Fahrgäste das „Bahnsurfen“ in leeren Zügen trainieren. An der Türe herrscht Gedränge und die Sitzplätze sind leer. Manche sind einfache zu cool um zu sitzen. Angesagte Beachboys surfen in Mumbai an der S-Bahn in den Sonnenuntergang.
Die Fahrt mit den Vorortezügen ist ein spannendes Erlebnis im Alltag von Mumbai. Unbedingt machen!
Wer gerne einmal selbst mit den Zügen in Mumbai fahren möchte – hier ein paar Tipps:
- Der Fahrpreis startet für die 2. Klasse bei 5 Rupien (ca. 7 Cent) und steigert sich dann langsam in 5 Rupien-Schritten. Die Fahrt muss spätestens eine Stunde nach dem Ticketkauf beginnen.
- Fahrkarten sind am Fahrkartenschalter erhältlich. Nicht abschrecken lassen von den langen Schlangen, der Ticketverkauf geht sehr schnell.
- Schematische Preistafeln sind in jeder Haltestelle zu finden.
- Liniennetzplan am besten vorher im Internet organisieren, in den Stationen hängen keine Übersichtspläne aus. Bei den orangen Automaten zum Laden der Magnetkarten ist der Netzplan auf dem Bildschirm abgebildet.
- An den Abfahrtstafeln am Bahnsteig werden nur Abkürzungen des Fahrziels angezeigt. S und F zeigen an, ob es sich um einen „Slow“ oder „Fast“ Train handelt.
- Es herrscht Linksverkehr, im Zentralbereich fahren die Züge in Nord-Süd-Richtung (hilft bei der Orientierung)
- Vorsicht an den Türen und beim Ein- und Aussteigen, damit Du nicht unter die Räder kommst. Täglich passieren tödliche Unfälle. Züge fahren ab, auch wenn noch nicht alle Passagiere ein- oder ausgestiegen sind. Die Lokomotive „hupt“ wenn sie losfährt, das hört man oft in den hinteren Waggons nicht.
- Reisen mit Gepäck ist am Morgen und Abend nicht empfehlenswert.
Hier geht’s zur Übersichtsseite Reiseberichte und Reiseinformationen Indien.
Naninka says
Hab ich auch schon gemacht… zwei Stunden an der Tür gefahren…. allerdings schon außerhalb von Mumbai. Die Türen sind ja generell immer alle offen. Auch schon oft gesehen: Touris rauchen während der Fahrt an der Tür und wenn ein Bahnmitarbeiter vorbei kommt wird die Zigarette rausgeworfen oder versteckt… wie früher auf der Schultoilette….
Alex says
Boah, das ist ja echt heftig und nichts für schwache Nerven. :-/
Da kann man nur sagen… pass auf dich auf! :)
Richard says
Echt cool, wie man fremde Kulturen hier bei Andersreisenden erleben kann.
Johannes says
Hi Gerhard,
sehr interessante Anleitung!
Wollte ich gerne auf meiner Facebook-Seite teilen. Darf ich das erste Bild aus Titelbild verwenden?
Kathrin says
Ich glaube, das wäre nichts für mich :)
lg kathrin
Andersreisender says
– Alex: Danke Dir – bin vorsichtig beim S-Bahn fahren. ;-)
– Richard: Ich freue mich, dass es Dir gefällt!
– Johannes: Klar kannst Du den Beitrag bei Dir auf Facebook teilen. Den Artikel inkl. Titelbild findest Du auf der Facebookseite http://www.facebook.com/Andersreisender . Einfach dort auf “teilen” klicken.
– Kathrin: Wir schauen mal ob das auch in Salzburg klappt. ;-)
Andersreisender says
– Naninka: Sorry, Deinen Kommentar hatte ich heute in der Früh übersehen. ;-) Ja, in vielen Zügen stehen die Türen sperrangelweit offen. Gottseidank müssen dort die Fahrgäste aber nicht stundenlang im Fahrtwind hängen.
Thorsten Edula says
Ist bestimmt auf jeden Fall ein tolles Erlebnis :) Auch wenn es an der Tür etwa riskant ist. Werde ich das nächste Mal einmal machen, wenn ich wieder dort bin.
Gruß,
Thorsten
Andersreisender says
Thorsten: Die Suburban Trains in Mumbai sind ein absolutes Erlebnis. Bahn-Fans müssen einfach damit fahren. ;-)