Hektische Betriebsamkeit herrscht auf der Straße. Cyclo-Fahrer versuchen durch die leuchtenden Früchte der Orangenbäume auf ihrem Rad die Straße zu erspähen, Mopedfahrer balancieren riesige Blumenstöcke auf den schmalen Sitzen.
Für den Vietnam-Besucher sind die Vorbereitungen zwei Tage vor dem Tet-Fest beeindruckend und auch amüsant anzusehen. Zumindest so lange, bis er selbst zu einer Feier zum Jahreswechsel nach dem Mondkalender eingeladen ist.
“Gott… welche Geschenke soll ich mitbringen? Und welche Vorbereitungen sind notwendig?” schießt es mir durch den Kopf. Schon seit Tagen lese ich über die verschiedenen Bräuche und Regeln zum Tet-Fest. Nun betrifft es mich plötzlich selbst.
Ich kenne den 29jährigen Duc von meiner Motorradtour in Vietnam vor zwei Jahren. Spontan hat er mich zum Tet-Fest in sein Haus in Nha Trang eingeladen. Am ersten Tag des neuen Jahres nach dem Mondkalender werden in den Vietnamesischen Familien Freunde und Bekannte eingeladen. Ausländer sind hier besonders glücksversprechende Gäste.
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Um im neuen Jahr “ordentlich” das Haus zu betreten, steht erst einmal ein Friseurbesuch an. Der ist schnell erledigt, die Suche nach geeigneten Geschenkideen gestaltet sich schon schwieriger.
Die Tipps im Internet verwirrt mich mehr als sie mir eigentlich nützen. Ein Geschenkkorb: Eine tolle Idee für Businesskontakte – aber im privaten Rahmen zu unpersönlich.
Zweige mit Kirsch- oder Pfirsichblüten, je nachdem ob man sich im Norden oder Süden Vietnams befindet, sind auch probate Mitbringsel. Aaaaber: Die Knospengröße- und Blütenzahl müsse angeblich genau stimmen – sonst bringt dieses Frühlingssymbol Unglück.
Inhalt:
Heikles Blumengeschenk
Nein, einem Freund möchte ich keinesfalls Unglück ins Haus bringen. Und Blumen sind auch keine gute Geschenkidee. Sie werden laut guter Ratschläge im Internet nur vor dem Neujahrstag mitgebracht.
Außerdem wäre der Transport der über einen Meter hohen Blumen ohnedies ein Problem. Zumindest für mich als Ausländer ohne Fahrzeug.
Die Rezeptionistin in meinem Hotel zeigt sich auch wenig auskunftsfreudig als ich sie um eine Geschenkidee für meine Tet-Einladung frage. Erst behindern Sprachschwierigkeiten die Verständigung, dann ist sie mehr an dem Einladenden interessiert als an meinem Geschenk-Problem. Wo Duc denn wohne? Wie er heiße? Und überhaupt: Ob er eine Frau habe.
Schwierige Geschenke-Auswahl
Mein flehender Blick dürfte ihr Herz erweichen und so hat sie dann nach einer halben Stunde doch einen Tipp für mich parat: Yến sào. Ein Geschenk, das angeblich jeden glücklich mache. Im Spezialgeschäft ums Eck sind die Delikatessen ausgestellt.
Die Geschenkpackungen, die auf den ersten Blick Fadennudeln in Knäuel enthalten, sind mit mehreren Millionen Dong angeschrieben. Ich schlucke. In Euro liegt der Preis über 100 Euro pro Packung – mit kleinen, nudeligen Püschel als Inhalt. Aber hübsch sieht sie aus, die Packung. Und kostbar. Und in roter Farbe ein garantierter Glücksbringer.
Aber ob der Inhalt bei meinen Gastgebern wirklich so gut ankommt? Mrs. Duc müsste in aufwändiger Prozedur die Fäden in eine Schwalbennest-Suppe verwandeln. Offenbar sagen nicht nur Chinesen den hellen Vogelbehausungen eine kräftigende medizinische Wirkung nach.
Bodenständiges Tet-Geschenk statt abgehoben
Ich beschließe mich in vertrauteren Geschäften über ein ordentliches Tet-Geschenk beraten zu lassen und höre mir mehreren Meinungen an. Zwei Verkäuferinnen mit guten Englischkenntnissen in unterschiedlichen Geschäften sind annähernd gleicher Meinung: Man könne zu einer Tet-Einladung in einem vietnamesischen Haushalt mitbringen, was man gerne möchte und vor allem was die Gastgeber freut. Auch eine Palette Dosenbier für den Hausherrn sei ein beliebtes Geschenk.
Ich war im Zug schon über die vielen Bierpaletten im Gepäcknetz überrascht. Saigon-Bier wird Richtung Norden und Huda Bier in den Süden transportiert. Die Verkäuferin holt einen 24er-Karton “333” Bier aus dem Lager. Ich weiß, dass Duc sehr gerne Bier trinkt.
Für seine Frau entscheide ich mich für einen glücksbringenden, roten Wein aus Đà Lạt. Eine Dose mit Keksen sei laut Verkäuferin als Mitbringsel auch nicht verkehrt. Eine Packung mit gerösteten Melonenkernen zählt zu den Highlights eines gelungenen Tet-Festes genauso wie das “Lucky Money”.
Das Glücksgeld. Da habe ich schon darüber gelesen. Und mehrfach gehört, dass das ein wichtiges Geschenk für Kinder sei. Sie dürfen sich dann mit “schönen” Geldscheinen Süßigkeiten kaufen.
Rote Briefumschläge für das glückbringende Geld habe ich bereits gekauft, schöne Geldscheine schon bei Seite gelegt und das Thema für mich als erledigt betrachtet.
“Lucky Money” macht mich unsicher
Im Laufe des Tages macht sich bei mir Unsicherheit breit, ob mit “Lucky Money” vielleicht doch eine andere Art Geld gemeint sein könnte. An der Straße werden 100-Dollar-Noten und 500.000 Dong Scheine verbrannt. Unechtes Geld, versteht sich. Vielleicht ist dieses symbolische Geld “Lucky Money”?
Ich frage bei der Verkäuferin nach, wo man das glückbringende Geld kaufen könne. Sie versteht nicht recht, ich wiederhole meine Frage. Bald stellt sich heraus, dass ich völlig auf dem Holzweg bin. “Lucky Money” ist echtes Geld. Saubere Geldscheine, wie ich es richtig verstanden hatte.
Unglück mit dem Glücksgeld
Aber die Literatur hat mir verschwiegen, dass es makellose, neue Geldscheine aus der Bank sein müssen. Die Verkäuferin fächert stolz ein Bündel 5.000 Dong Scheine vor mir auf. Sie hat für Tet vorgesorgt. Ich bräuchte nur einen 100.000 Dong Schein in der Bank wechseln lassen, dann sei ich für die Einladung gerüstet.
Da gibt’s nur ein Problem: Die Banken haben um 17 Uhr bereits geschlossen und bleiben das auch bis nach dem Tet-Fest.
Einem unwissenden Ausländer möge verziehen werden. Kurzerhand wandle ich die Regeln etwas ab. In die roten Briefumschläge stecke ich Süßigkeiten und jeweils einen 10.000 Dong Schein hinein. Duc hatte 2010 nur einen Sohn. Ob das so geblieben ist?
Zur Sicherheit wird noch ein zweites, rotes Glückspackerl mit Süßigkeiten vorbereitet. Sicher ist sicher. Man will ja nicht schon am ersten Tag des neuen Jahres in weinende Kinderaugen sehen.
Nach einem hektischen Tet-Vorbereitungstag überlege ich ob alle Regeln wirklich noch so genau eingehalten werden? Spätestens bei meiner Einladung in zwei Tagen werde ich es wissen.
Übrigens: Eine Reise während des Tet-Fests solltest Du rechtzeitig vorbereiten. Im Blog habe ich Dir einige wichtige Tipps für die Reiseplanung für eine Vietnam-Reise während des Tet-Fests zusammengestellt. Und wie ich das Vietnamesische Neujahrsfest in Ho-Chi-Minh-Stadt erlebt habe, kannst Du in diesem Video über das Tet-Fest in Saigon sehen.
Klaudia says
Die Geschenke die an diesem Abend glücklich machen, machen uns Europäer an Silvester auch froh. Etwas Alkoholisches und etwas Süßes kommen immer gut an.
Patrick says
Für einen Moment habe ich geglaubt, wir hätten den gleichen Fahrer aus Nha Trang gehabt. Aber bei genauerem Hinschauen heißt meiner doch nicht Duc, sondern Dung ;-)
Ich möchte nicht in Deiner Haut stecken. Ich besorge schon nicht gern Geschenke in Deutschland, aber in einer anderen Kultur…?! Ich glaube Du hast gute Lösungen gefunden.
Viel Spaß beim Fest!
Grüße
Patrick
Andersreisender says
@Klaudia: So ist es. :-) Hört sich eigentlich logisch an. Mit dieser grundlegenden Erkenntnis hätte ich nicht den ganzen Tag nach passenden Tet-Geschenken suchen müssen. ;-)
@Patrick: Warst Du auch in Vietnam mit dem Motorrad unterwegs? Mir hat die Tour supergut gefallen! Ja… Geschenke besorgen ist auch nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung. Aber hurra! Geschafft :-)
Dani says
Zum Glück habe ich diese Probleme nicht mehr … nein es gibt keine Geschenke.
Aber die Lösung hast wirklich gut gemacht, Alkohol und was Süsses :-)
Liebe Grüsse Dani
Kathrin says
Das klingt ja ganz schön spannend. Freue mich schon auf den Bericht wie das Tet-Fest verlaufen ist.
lg kathrin
Patrick says
Hi Gerhard,
ja, ich war erst vor zwei Monaten per Easy Rider von Nha Trang nach Dalat unterwegs.
Das war eine tolle Erfahrung und ich würde es jederzeit wieder machen!
Ich überlege nun sogar, einen Motorradführerschein zu machen. Ist ja doch besser, wenn man weiß was man tut ;-)
Viele Grüße
Patrick
Andersreisender says
@Kathrin: Schon vorweg: Super wars. Mehr dazu in Kürze. :-)
@Patrick: Mach’ den Führerschein! Auch wenn Motorrad-Fahren in Europa etwas ganz anderes ist als in Vietnam. Ich habe seit letztem Jahr wieder ein Motorrad und bin mit meiner Suzuki V-Strom 650 sehr zufrieden. :-)
@Dani: Ja, denke, dass es die richtige Entscheidung war. :-)
Christina says
xD ohhh wow, das kann man schon fast als Arbeit bezeichnen. Da bin ich ja wirklich gespannt wie die Geschenke ankommen und wie das Fest war. Hach, wäre gerne dabei! :D
Liebe Grüße
Christina
Helene says
Hast du am Ende gut gemacht mit den Geschenken – du hast dir ja wirklich Gedanken gemacht und das merkt der Beschenkte, egal aus welcher Kultur er kommt!
Andersreisender says
@Christina: Ja, manche Vorhaben arten wirklich in Arbeit aus. Ich war letzten Endes mit Geschenke-Einkaufen und Vorbereitungen den ganzen Tag beschäftigt. ;-)
@Helene: Stimmt, gottseidank sind die Geschenke alle gut angekommen! :-)
philtek says
Ich glaube Bier und Wein sind eine bessere Wahl als Vogelnester.
Hoffe Deine Gastgeber sehen das genauso ;-)
Gruß
philtek
Andersreisender says
@Philtek: Denke ich auch. Vor allem – ich hatte auch was davon. ;-)