Die Übernachtung in einem traditionellen, japanischen Hotel bietet eine gute Gelegenheit die japanische Alltagskultur näher kennen zu lernen. Ein Ryokan ist eigentlich eine japanische Pension. Die Übergänge zwischen Pension und Hotel sind aber meines Erachtens heute eher fließend. Ich habe in einigen Ryokans auf meiner Japan-Reise übernachtet. Von wenigen Zimmern bis zum Hotelkomplex mit mehreren Stockwerken war alles dabei. Trotzdem sind die Abläufe überall ähnlich.
Doch wie verhält man sich in einem Ryokan? Immerhin gibt es im Ryokan Regeln zu befolgen, die einem Ausländer nicht unbedingt geläufig sind. Ein spannendes Erlebnis ist die Übernachtung auf jeden Fall. Viele Abläufe sind ähnlich wie in einer traditionellen japanischen Wohnung. Auch die Ausstattung ähnelt sehr einer Wohnung im Kleinformat. Schnell ist man auch mit den besonderen Regeln vertraut und kann eine Übernachtung im japanischen Stil genießen.
Inhalt:
Schuhe ausziehen!
Bereits beim Eingang zum Ryokan werde ich vom Eigentümer freundlich begrüßt. Mit einer Geste mit der Hand weist er mich darauf hin, dass ich vor der Holzschwelle zum Teppichboden die Schuhe ausziehen soll. Ich stelle mein schweres Gepäck ab und ziehe vorsichtig die Schuhe aus ohne auf den Fliesenboden zu treten. Stattdessen schlüpfe ich direkt in die bereitgestellten Slipper. Für große, europäische Männerfüße gestaltet sich das Anziehen gar nicht so einfach, denn die Schühchen haben gefühlte Größe 34.
Der Hausherr des Daibutsu Ryokan* in Takaoka, sein Name ist Yasushi Shioda, hilft mir mit dem Gepäck. Er begleitet mich zu meinem Zimmer am Ende des Gangs. Nach dem Öffnen einer kleinen Schiebetür stehen wir in einem kleinen Vorraum. Wir ziehen unsere Hausschuhe aus und betreten den mit Tatami-Matten ausgelegten Raum. Die Tatami-Matten dürfen nur barfuß oder mit Socken betreten werden.
Keine Schränke
In einem traditionellen, japanischen Zimmer stehen keine Schränke. Die Wände sind mit sanften Motiven aus der Natur und Tierwelt verziert. Einige der Wände sind als Schiebetüren gestaltet. Hinter ihnen verbergen sich Ablageflächen für Kleidung, Bettwäsche und Futons. Auch der Yukata, eine Art Haus- und Bademantel und manchmal ein Safe sind hier zu finden. Hinter anderen Schiebetüren kann sich eine Verbindung zu weiteren Zimmern oder dem Ausgang verbergen.
Yashushi Shioda zeigt mir das Zimmer. Im Raum steht auf den Tatami-Matten ein japanischer Tisch mit vier Sitzkissen. Auf dem Tisch stehen heißes Wasser und eine Teedose mit allen benötigten Utensilien für die Teezubereitung bereit. Manchmal wird in einer zweiten Thermoskanne kaltes Wasser angeboten.
Schlafen auf dem Futon
Auch mein Futon für die Nacht ist bereits hergerichtet. Benötigt man mehr Platz im Zimmer werden die Futons tagsüber im Schrank verstaut. Obwohl die japanischen “Matratzen” auf den Tatami-Matten sehr hart sind, schlafe ich darauf vorzüglich. Auch Kreuzschmerzen, die ich von schlechten, europäischen Betten kenne, gehören der Vergangenheit an. Auf das Nachtkästchen mit einer Leselampe muss man in dieser ungewohnten Schlafposition allerdings verzichten.
Loggia mit schönem Blick
Durch eine mit Reispapier bespannte Schiebetüre betreten wir die Loggia. Im idealsten Fall bietet sie einen wunderschönen Blick, zB. auf einen Teich mit Goldfischen oder Garten. Hier kann man es sich in etwas höheren Stühlen am Tisch gemütlich machen und die Aussicht genießen.
Die Toilette
Vom Vorraum oder von der Loggia führt der Weg in die Toilette. Beim Betreten des WCs müssen, wie auch in japanischen Wohnungen, spezielle Toiletten-Schuhe angezogen werden. Sie stehen am Eingang bereit und sind meist grün oder mit einem eindeutigen WC-Aufdruck gekennzeichnet.
Die japanischen Toiletten sind bekannt für ihre technischen Spielereien. Spezielle Waschvorrichtungen für den “Allerwertesten” und ein Bidet gehören zur Grundausstattung. Der Phantasie an Sonderfunktionen sind keine Grenzen gesetzt: Vom eingebauten Popo-Föhn über die “Pfurz-Übertönung” mit Wasserspülungs-Geräuschen und beheizbare Toilettenbrille bis hin zum eingebauten Radio ist jegliche Sonderausstattung möglich.
Das Bad
Ist im Zimmer ein Bad vorhanden, so hat dies meist zweierlei Funktion: Vor der Wanne wäscht man sich, danach nimmt man ein entspanntes Bad im heißen, sauberen Wasser. Manchmal sind auch westliche Duschkabinen in den Ryokan-Zimmern eingebaut.
Das Gemeinschaftsbad
Zur Entspannung aber auch – bei fehlendem eigenen Bad – zur Reinigung dient das Gemeinschaftsbad in einem Ryokan. Auf einem kleinen Hocker wäscht man sich erst mit Seife und Wasser und spült sich dann ab.
Nach der Säuberung folgt der entspannende Teil im sauberen, heißen Wasser im Gemeinschaftsbecken. Japaner lieben es, sich auf diese Weise zu entspannen.
In Orten mit Thermalwasser haben Ryokans oft ihren eigenen Onsen. Das heiße Quellwasser wird dann direkt in die Gemeinschaftsbäder geleitet.
Nach dem entspannenden Bad schlüpfe ich in den Yukata und genießt das japanische Abendessen und denweiteren Abend.
Die Nacht im Ryokan
Wegen des fehlenden Schlosses an der Zimmertüre braucht man sich deswegen keine Sorgen zu machen. So manches Ryokan hält sich an die alte Tradition, dass die Zimmertüren nicht verschlossen werden. In größeren traditionellen japanischen Hotels ist der Zimmerschlüssel aber üblich. Er hängt oft an einem überdimensionalen Schlüsselanhänger in Stabform mit der aufgeprägten Zimmernummer.
Die etwas grellen Neonlampen können meist ins 2-3 Stufen gedimmt werden.
Auch im Sommer brauchen Ryokan-Gäste nicht zu schwitzen. Klimaanlagen gehören in den japanischen Unterkünften zur Standardausstattung. Auch Kühlschrank und Telefon stehen oft im Zimmer. Mit japanischen Sendungen im Fernsehen und manchmal einem W-LAN Anschluss im Zimmer kann man sich die Zeit am Abend vertreiben.
Das Frühstück
In vielen Ryokans wird wahlweise ein Europäisches oder Japanisches Frühstück angeboten. Bei einer solchen traditionellen Übernachtung sollte man auf jeden Fall auch das japanische Frühstück probieren. An Stelle von Marmeladebrot und Kaffee gibt es dann viele verschiedene pikante Häppchen, Fisch, Reis und grünen Tee zum Frühstück.
Einige Wochen später
In zwei meiner besuchten Ryokans – es waren die sehr familiären Betriebe – werde ich um Abschiedsfotos gebeten. Einige Wochen später – als ich nicht mehr an den Aufenthalt denke – finde ich eine nette Nachricht bei meinen E-Mails: Der Besitzer bedankt sich nochmal herzlich für die Übernacht im Ryokan und wünscht mir alles Gute.
Ein Ryokan buchen
Bereits von Europa aus kann ein Ryokan im Internet gebucht werden. Ryokans, kleine Hotels und eine günstige Unterkunft in vielen Städten findet man zB. bei Booking.com*
Es lohnt sich auch nach dem Begriff “Minshuku” zu suchen. Dabei handelt es sich um kleine Privatzimmer.
Fazit
Eine Übernachtung im Ryokan ist bei einem Japan-Besuch eine tolle Möglichkeit um in typisch japanischer Umgebung zu übernachten. Dabei sind zwar einige Regeln zu beachten, man lernt allerdings auch einen Teil des traditionellen Japans kennen. Traditionelle, japanische Hotels sind in jeder Stadt zu finden. Viele Ryokans können auch im Internet gebucht werden.
Etwas Mut gehört das erste Mal sicherlich dazu – wer aber die oben genannten Regeln für die Übernachtung im Ryokan befolgt wird einen tollen Aufenthalt haben. Wer Abenteuer mag sollte eine Nacht im Kapselhotel in Tokyo verbringen.
Alex says
Sehr schöne Bilder, tolles Hotel. Und so ganz ohne Schränke hat was. Nur das Essen wäre wohl nicht wirklich was für mich, aber tolle Eindrücke hier. Danke!
Andersreisender says
@Alex: Magst Du kein japanisches Essen? Ich finde, dass das Frühstück viel leichter verdaulich ist als ein “Continental Breakfast”.
Alex says
Also was das japanische Essen angeht, da muss ich passen. Keine Ahnung. Ich esse nur kein Chinesisches mehr, da hat mir ein Krankenhausaufenthalt genügt! :D
Andersreisender says
@Alex: Oha…das hört sich nicht so gut an. Aber die Japaner sind anundfürsich extrem pingelig was die Hygiene angeht.
Joshua says
Bei diesem beitrag bekomme ich richtig lust nach Japan zu reisen und das Land einfach mal zu erleben. Ich hatte es sowieso mal in Erwägung gezogen nach Japanzu fliegen, aber jetzt bin ich mir sicher… Alleine das Frühstück sieht Hammer aus