Abschied aus Irkutsk. Die Reise führt mit dem Moskau-Peking-Express weiter nach Ulan-Bator in der Mongolei. Die Reiseerlebnisse im Zug sind weitgehend zeitlos. Wenn Du allerdings aktuelle Reisetipps suchst, dann klicke Dich bitte in die Übersicht für die Transsibirische Eisenbahn. Oben im Menü findest Du außerdem Länder-Kategorie mit Reisetipps z.B. für Russland, Mongolei und China.
Samstag, 7. Februar 2009
03:50 Uhr – mein Wecker laeutet. Mich interessiert’s ueberhaupt nicht aufzustehen, aber um 4:30 Uhr wartet das vorbestellte Taxi vor der Haustuere. Abschied von Feodor und Theodor.
Der Taxifahrer faehrt mit mir bei der ersten Kreuzung in die (vermeintlich) falsche Richtung – ich protestiere. Er meint, das passe schon so und biegt die naechste Strasse rechts ein. “OK – die Richtung stimmt wieder” denke ich. Wir kommen bei der alten Angara-Bruecke zur Strasse Richtung Bahnhof, fuer mich ist wieder alles in Ordnung. Mit 200 Rubel duerfte der Fahrpreis auch nicht ueberzogen sein.
Der Zug Nummer 4 “Moskau-Peking-Express” steht bereits am Bahnsteig 3 bereit, Abfahrt 5:13 Uhr am Morgen. Ich bin schon neugierig, mit wem ich das Abteil teilen werde oder ob ich diesmal allein reise. Am Einstieg begruesst mich in englischer Sprache ein Chinesischer Schaffner. Er fragt mich auch nach meiner Nationalitaet, moechte aber keinen Reisepass sehen so wie es in den russischen Zuegen ueblich ist. Ich bin ueberrascht – ich dachte dieses Jahr wuerde der Zug von Russischem Personal begleitet.
Im Abteil Nummer VII lerne ich Mascha und ihre Tochter kennen. Sie sind auch am Weg nach Ulaanbaatar, somit werden wir die naechsten 1.200 km, rund 26 Stunden, gemeinsam verbringen. Beide Damen sind von Beruf Hebamme und am Weg zur Schwester bzw. Tochter nach Ulaanbaatar. Beruflich erklaeren sie mir. Ist also Nachwuchs in Sicht?
Wir richten es uns schnell gemuetlich ein, mein Schlafplatz ist diesmal oben. Dieser Platz ist eigentlich ganz praktisch – ich habe schoene Ablageflaechen und hier mein “eigenes Reich”. Mein grosser Rucksack ist unter Mascha’s Bett gut verstaut.
Auch die beiden duerften vergangene Nacht nicht genug Schlaf bekommen haben. Wir winken noch Irkutsk und auch dem Mikrorayon Perovmayski, wo wir vorbeifahren. Da swidanja Irkutsk – Licht aus – und bis zum Baikalsee wird geschlafen. Es begruesst uns eine herrliche Morgenstimmung und der tief winterliche Blick ueber den Baikalsee.
Die beiden Damen beginnen ihre Jause – gebratene Huehnerschenkel und Tee – auszupacken, ich beschliesse ebenfalls einen Happen zu essen. Im Supermarkt habe ich am Vortag etwas Ration eingekauft. Mascha meint, ich muesse unbedingt ihre selbstgemachten Pelmeni mit Kartoffel (sie hat sie so genannt, obwohl sie wesentlich groesser und anders aussahen, als jene bei Theodor) probieren. Sie schmecken sehr gut! Ich revanchiere mich bei der Nachspeise – es gibt Salzburger Mozartkugeln. Natuerlich darf auch die obligatorische, beiderseitige Foto-Familien-Herzeig-Session nicht fehlen. Mascha hat mich gleich ins Herz geschlossen. Sie sagt staendig “krassivi” – was so viel wie “schoen” heisst, und streichelt mir uebers Haar. *rotwerd*
Nun habe ich Musse und Gelegenheit unseren Waggon genauer anzusehen. Alles ist nicht so liebevoll gestaltet, wie im “Rossija” von Moskau nach Wladiwostok. Keine Vorhaenge im Abteil, die Bettwaesche besteht aus zwei Leintuechern (1x zum Drauflegen, 1x zum Zudecken) sowie aus einem Kopfpolster mit Bezug und einer dicken Decke ohne Bezug. Handtusch und Geschirrtuch bekommen wir keines. In den Toiletten liegt nur eine leere Klopapier-Rolle, das war’s. Kein Papier, keine Handtuecher, keine Toilettauflagen, keine Seife.
Auch im Speisewagen laeuft alles wesentlich einfacher ab. Der Kellner ist in grau gekleidet, ich haette ihn beinahe nicht erkannt. Die Getraenke werden in der 1-Liter-Packung serviert, Kirsch- oder Apfelsaft. Fuer die Bestellung des Essens ist die Speisekarte ueberfluessig, es gibt nur ein Gericht. Nun gut – es schmeckt trotzdem und der Kellner ist auch flink und zuvorkommend.
In Ulan-Ude haben wir unseren letzten laengeren Aufenthalt vor der Grenze. Wir bekommen Kohle zu unserem Waggon geliefert und die E-Lok wird durch eine Diesellok ersetzt.
Kurz nach Ulan-Ude zweigen wir von der Transsibirischen Eisenbahn auf die Transmongolische Strecke ab. Wir “umkreisen” so einmal die Stadt Ulan-Ude. Dann geht es auf einer eingleisigen Strecke Richtung Sueden in die Monglolei.
Mir fallen hier erstmals auf meiner Reise wilde Muelldeponien entlang des Bahndamms auf. Auch frischer Muell – viele Flaschen und Kunststoffsaecke – liegen auf dem Schnee. Ausserdem traegt die Industrie in Ulan-Ude mit schwarzen Rauchschwaden ihren Teil zur Umweltverschmutzung bei.
Die Gegend aendert sich nach Ulan-Ude schlagartig. Wir fahren durch sehr karge Steppenlandschaften – ein erster Vorgeschmack auf die Mongolei.
Die Siedlungen bestehen aus kleinen Holzhaeusern, oft sieht man kilometerweit nur Natur. Gelegentlich grasen Kuehe oder Schafe allein neben dem Bahndamm. Die Landschaft strahlt eine Ruhe und Zeitlosigkeit aus.
Ich habe Zeit, die Erlebnisse der letzten Tage zu verarbeiten. Auch denke ich ueber das Leben und die Leute in Russland nach. Vieles war anders, als man es sich erwartet haette. So verschlossen und unpersoenlich die Menschen hier auf der Strasse wirken, so freundlich und herzlich sind sie, wenn man sie naeher kennen lernt. Es freut mich sehr, dass ich dieses Land und ein paar seiner Menschen persoenlich kennen lernen durfte.
Gegen 18:20 Uhr sind wir in Nauschki – dem russischen Grenzort zur Mongolei. Laut meinem Fahrplan sollten wir hier erst um 22:24 ankommen und um 22:40 wieder abfahren. Die Formalitaeten dauern ewig. Es kommen ein Mann in rot, der den Pass ansieht und die Registrierung herausnimmt, spaeter ein Mann in gruen, der den Pass mitnimmt. Dann die Zollkontrolle Teil 1: Im Abteil werden die Verblendungen abgenommen. Dann werden die Zolldeklarationen fuer die Ausreise von einer Zoellnerin gestempelt. Wir hielten sie alle im Abteil fuer die Zolldeklaration zur Einreise in die Mongolei. Scheinbar fuellt diese Deklaration jeder falsch aus, denn sie korrigiert gleich bei jedem die falschen Kreuzchen. Dann kommt wieder eine Dame – Kontrolle des Gepaecks. Nach dem Jausen-Sack und meinem kleinen Rucksack ist sie an meinem Reisegepaeck nicht weiter interessiert. Irgendwann bekommen wir auch die Paesse wieder zurueck. Das ganze zieht sich ueber knapp dreieinhalb Stunden. Dann verlassen wir eine Stunde frueher als angegeben den Banhof Richtung Grenze.
Nach etwa 20 Minuten Fahrt im Schritt-Tempo erreichen wir einen Zaun und danach eine hell beleuchtete Zone. Unser Zug wird hier mitten im “Nichts” nochmals von aussen kontrolliert. Auch unter den Waggons leuchtet man alles genau mit Taschenlampen ab. Etwa eine halbe Stunde spaeter fahren wir durch einen weiteren Zaun – wir sind nun in der Mongolei.
In Suchbaatar, dem mongolischen Grenzort wiederholt sich das Papier-Spektakel. Diesmal gibt es alle Papiere nur in englischer Sprache, der Schaffner hilft ins Russische zu uebersetzen. Von anderen Reisenden erfahre ich spaeter, dass sie in ihrem Wagen nur mongolischsprachige Formulare erhielten. Gottseidank gehen die Chinesischen Schaffner mit den unterschiedlichen Sprachen besser um als die Russischen. Auch eine Imigration-Card muss ausgefuellt werden. Nun wuerde es langsam sinnvoll sein, seine Passnummer auswendig zu wissen. In den letzten zwei Monaten habe ich sie bestimmt 50 Mal geschrieben. Wie heisst es so schoen: “Von der Wiege bis zur Bare Formulare, Formulare…” Vor allem dann, wenn man eine Reise tut ;-)
Nach insgesamt knapp sechs Stunden sind dann alle Grenzformalitaeten erledigt – wir verlassen kurz vor 0:20 Uhr den Suchbaatar und fahren durch die Nacht im gemaechlichen Tempo Richtung Ulaanbaatar. Auch die Toiletten sind gottseidank wieder geoffnet – waehrend der Grenzformalitaeten sind sie geschlossen. Den Damen in meinem Abteil hat dies zu lange gedauert und fanden meine Idee mit einer leeren Flasche super. Sie fragten mich, ob auch ich mit der Flasche kurz im Abteil allein sein moechte. Nein danke – ich bin ja schon ein grosser Junge ;-) Dafuer habe ich auf mein Gute-Nacht-Bierchen verzichten muessen – sonst haette ich’s bestimmt nicht ausgehalten…
Wir machen bald die Lichter aus, denn um 7:30 Uhr treffen wir schon in Ulaanbaatar ein. Bei gemaechlichen Tempo schlaeft es sich am Besten…
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