Moskau ist der erste Zwischenstopp auf meiner Reise mit dem Zug von Salzburg nach Peking. Du befindest Dich in meinem Reisetagebuch aus dem Jahr 2009 – getippt unterwegs auf russischen, mongolischen und chinesischen Tastaturen ohne Umlaute. Hier im Blog gibt es auch ganz aktuelle Reisetipps für die Transsibirische Eisenbahn. In den Länderkategorien, z.B. Russland, findest Du weitere Reisetipps. Jetzt aber viel Spaß mit dem 4. Teil der Reise-Story aus Moskau.
Dienstag, 27.1.2009
Ach wie schoen ist doch die Werbung. Zimmer mit Fruehstueck und Internet. Hoert sich super an. Doch der Teufel liegt im (russischen) Detail. Fruehstueck ist da – machen muss man sich’s allerdings selber. Ein paar Paeckchen Tee, ein paar Packungen mit Muesli und verschiedenen Flocken, Milch, Zucker… liegt alles in den Schraenken bereit. Hm. Ich entschliesse mich zu einem eigen-importierten Packerl Nescafe Capuccino. Auch das Internet ist nur theoretisch vorhanden – dass ich einen eigenen Computer dafuer brauche, wurde mir verheimlicht. Justin war so nett und hat mir seinen Laptop da gelassen, so kann ich den ersten Teil meines Berichts schreiben. Doch die Freude waehrt nur kurz, bald erscheinen nur noch russische Zeichen auf dem Bildschirm. Irgend etwas stimmt mit der Verbindung nicht.
Egal – ich will ja sowieso etwas von der Stadt sehen. Also warm angezogen, draussen sieht es eher unwirtlich aus. Graupelschauer gemischt mit Regen, feucht und rutschig. Jetzt kommen die Touristen-Klassiker dran. Mit der Metro (aktuelle Reiseinfos im Beitrag Metro Moskau: Reisetipps & Sehenswürdigkeiten) souveraen zum Ploschtschad Rewoluzii, quasi dem Eingang zum Roten Platz. So weit bin ich gestern am Abend schon zu Fuss gekommen. Der Rote Platz liegt ca. 1/2 Stunde zu Fuss von der Wohnung entfernt. Auf diesem Platz ist auch das Schukow-Denkmal und das Historische Museum.
Von dort geht’s durch das in den 1990er Jahren wiederaufgebaute Auferstehungstor (auch Iberische Pforte genannt) weiter auf den Roten Platz. Dieses Tor wurde unter Stalin abgerissen, damit Panzer fuer Paraden auf den Roten Platz fahren konnten.
Direkt am Roten Platz befindet sich die Basilus-Kathedrale, das Wahrzeichen von Moskau und wahrscheinlich von ganz Russland. Ihre Geschichte reicht bis ins 16. Jahrhundert, in die Zeit Iwans des Grossen zurueck. Er liess dem Baumeister zum Dank die Augen ausstechen, damit er keine zweite aehnliche Kirche in der Welt bauen koenne. Soviel zu den makaberen Details, den Rest findet Ihr im Reisefuehrer* und bei Wikipedia…
Ausserdem findet man am Roten Platz das Lenin-Mausoleum. Die wohl “beruehmteste Leiche der Welt” kann man auch besichtigen. Allerdings nur um 13 Uhr und man darf keinen Fotoapparat dabei haben. Daher muss Lenin auf meinen Besuch in seiner “Pyramide” noch ein bisschen warten.
Am Roten Platz befindet sich auch das Traditions-Kaufhaus Gum. Es wurde 1893 eroeffnet und ich finde, dass es eines der schoensten Kaufhaeuser der Welt ist. In drei Passagen – die wiederum aufgeteilt in drei Stockwerke – findet sich alles, was gut und teuer ist. Zum Aufwaermen kommt das Kaufhaus wie gerufen. Von den Cafes im 2. und 3. Stock hat man einen tollen Ueberblick ueber das Geschehen.
Vor dem Kaufhaus wurde am Roten Platz ein Eislaufplatz installiert. Ich finde ihn stoerend, da er die Sichtachse vom Auferstehungstor zur Basiliuskathedrale stoert. Andererseits war dieser Platz frueher auch Marktplatz und zog so die Moskowiten in das Zentrum der Stadt. Warum sollte der Platz also nicht zeitgemaess genutzt werden? Wie immer alles eine Gratwanderung. Jedenfalls haette ich mir von den Betreibern – dem Kaufhaus Gum – eine dezentere Version erwartet.
Die Ausmasse des Roten Platz erkennt man erst, wenn man ihn “ergangen” ist. Er ist einer der groessten Plaetze der Welt. Entsprechend viel Zeit braucht man auch fuer die Besichtigung der einzelnen Gebaeude ringsum.
Zurueck zum Ausgangspunkt, geht man dann durch den Alexandergarten zum Kreml-Eingang. Der (Touristen-)Eingang ist schwer bewacht. Man darf keinen Rucksack mitnehmen. Der Eintritt erfolgt durch einen Metalldetektor. Natuerlich piepst er bei mir, ich werde nach Handy und Fotoapparat gefragt. Ich beantworte die Frage wahrheitsgemaess und werde durchgelassen.
Mein Moskau-Reisefuehrer* weist mir den Weg: “Am Kutawja-Eingang geht es nach der Sicherheitskontrolle ueber die Bruecke durch den Dreifaltigkeitsturm in das Innere des russischen Fort Knox, das sich der Besucher zunaechst meist anders vorgestellt hat.”
Stimmt. Also wenn ich alles erwartet haette – aber das hinter den alten Gemaeuern nicht: Ich stehe vor dem Kremlpalast, einem haesslichen 60er-Jahre-Bau von Nikita Chruschtschow.
Dann hoere ich einen schrillen Pfiff aus einer Pfeife. Er galt mir. Einer der Polizisten weist mich mit einer Handbewegung zurueck auf den Gehweg. OK – Foto ist eh schon fertig.
Geht man dann weiter kommt man auf den Kathedralenplatz und bekommt dort zu sehen, was man eigentlich vom Kremel erwartet. Unter anderem findet man dort den Glockenturm “Iwan der Grosse” mit dem 81 Meter hohen Hauptturm, die Erzengel-Kathedrale, die Zwoelf-Apostel-Kirche mit dem Patriarchenpalast, die Maria-Himmelfahrts-Kathedrale, Gewandniederlegungs-Kirche, Maria-Verkuendungs-Kathedrale, den Facettenpalast und ein kleines Stueckchen vom angrenzenden Grossen Kremlpalast. Also ein wahres “Schmankerl” fuer alle Kirchen-Begeisterten. Aber auch so ist die Kombination der unterschiedlichen Baustile sehr beeindruckend. Hier ein “Wetterpanorama” vom Kathedralenplatz im Kreml:
Zwei Besonderheiten sehe ich ausserdem im Kreml: Die Kanone, die noch nie einen Schuss abfeuerte und die Glocke, die noch nie gelaeutet (aber schon gelitten) hat. Sie ist mit 200 Tonnen die gewichtigste und groesste Glocke der Welt. Das Original bekam waehrend einer Feuersbrunst 1737 noch in der Gussform wegen der ungleichmaessigen Erhitzung Risse. Als die noch heisse Glocke mit kaltem Wasser uebergossen wurde, loeste sich das 11,5 Tonnen schwere Stueck.
Und die Kanone, 1586 von den Zaren aus Bronze gegossen, sieht zwar toll aus und wiegt rund 40 Tonnen, allerdings kann eine solch dimensionierte Kanone keinen Schuss abfeuern. Trotzdem wurde sie von Leo Tolstoj in seinem Epos “Krieg und Frieden” verewigt.
Entlang des Grossen Kremlpalastes geht’s zurueck zum Ausgang.
Es wird dunkel und ich mache mich langsam auf dem Heimweg. Zum Abendessen gibt’s diesmal Sibirische Pelmeni und Soljanka (Suppe) in einem recht stylischen und gut besuchten asiatischen Restaurant. Unter anderem sind dunkle Oliven in der Suppe – ob dies auch original so ist?
Meinen teuersten Cappuccino trinke ich dann noch bei mir “ums Eck” und schreibe mein (papierenes) Tagebuch weiter. Mit knapp 6 Euro ist er wahrscheinlich der teuerste Cappuccino, den ich ueberhaupt je getrunken habe. Das “Mon Cafe” sieht mich bestimmt nicht wieder. Mineralwasser erstmals bei einem Stand komplett in russischer Sprache gekauft – dann verlaeuft der weitere Abend gemuetlich mit den Vorbereitungen fuer den naechsten Tag.
Mittwoch, 28. Jänner 2009
Fuer heute habe ich mir einiges vorgenommen. Leider muss ich mich wieder mit feucht-froehlichem Wetter begnuegen. Ich starte meine Tour mit der O-Bus Linie ? (jaja, da staunt Ihr – ich weiss mittlerweile, wie man die die Tastatur umstellt :-) ) und sehe mir die Bauten entlang eines Teil des Gartenrings an. Die optimale Route fuer Sightseeing im Trockenen. O-Bus fahren ist hier “gefuehlssache”, es gibt leider keine Plaene, wo die Routen genau verlaufen. Fahrscheine werden beim Fahrer gekauft und dann muessen sie bei einem Drehkreuz entwertet werden, damit man in den Fahrgastraum kommt. Soweit die Theorie.
Praktisch gesehen laeuft das anders: Ich strecke dem Fahrer einen Rubel-Schein entgegen und hoffe, dass er mir Restgeld und Fahrkarte zurueck gibt. Nein – Ich bekomme eine Frage gestellt, die ich natuerlich nicht beantworten kann, weil ich sie nicht mal verstehe. Nach 2-3 Versuchen verstehe ich doch was er meint: ob ich einen oder mehrere Fahrscheine kaufen will. Ich drehe mich um und schaue, ob noch jemand bei mir steht. Nein, ich bin der letzte beim Einstieg. Klar will ich nur einen Fahrschein kaufen. So – Karte in Pfeilrichtung einschieben und schon kanns los gehen. Pfeilrichtung funktioniert natuerlich nicht. Alle Moeglichkeiten ausprobieren – irgenwann oeffnet das Drehkreuz. Nun kann ich mich den Bauwerken entlang der Strecke widmen, wie zB. dem Museum fuer Moderne Kunst Jermolowa, dem Aussenministerium oder auch den “Stalin-Kathedralen” bzw. Bauten, die an die Gebaeude New Yorks der 1920/1930er Jahre erinnern.
Ich habe Glueck und meine Tour fuehrt mich bis zum Gorki-Park. Im Sommer vergnuegen sich dort die Moskowiten, im Winter gibt es hier einen Eislaufplatz. Es ist zu frueh zum Eislaufen aber dafuer werde ich mit bekannten “Melodien” am praechtigen Eingang begruesst. Nein, es ist nicht die Gruppe Scorpion, die hier auch schon bei einem Konzert “Wind of change” in russischer Sprache gespielt haben.
Vorbei an der Neuen Tretjakow Galerie gelange ich zum Skulpturenpark. Dort finden Statuen und Skulpturen, die offensichtlich keiner mehr haben will, ihre letzte “Ruhestaette”. Lenin und Stalin, “verblichene” Sowjet-Symbole aber auch Adam und Eva (warum auch immer) haben neben vielen kommunistischen Groessen hier ihren Platz. Im Winter strahlt dieser Park eine ganz besondere Trostlosigkeit aus.
Von weitem sieht man auch bereits das Denkmal Peters des Grossen, das aus dem Wasser ragt. Dieses Denkmal gehoert allerdings nicht zu den verbannten sondern steht am Kai ausserhalb des Gelaendes.
Mein Weg fuehrt mich den Wodootwodnyi-Kanal entlang. Man sieht die aufgelassene Schokoladen-Fabrik “Roter Oktober” und, viel interessanter, die Christ-Erloeser-Kirche. Ueber einen neuen Steg erhaelt man einen einmaligen Blick auf dieses Bauwerk.
Der Reisefuehrer* fuehrt mich weiter zum “Haus am Ufer” Trotz angeblicher wechselhafter Geschichte ist nichts aufregendes zu sehen – ausser der Supermarkt, der sich darin befindet. Dort wird mein Mineralwasser-Vorrat aufgefuellt. Ueber die Moskwa-Bruecke und mit tollem Blick auf den Kremel geht es weiter zum Alten Arbat, einer der ersten Fussgaengerzonen Moskaus. Dafuer hat sie meines erachtens nicht viel zu bieten. Verhaeltnismaessig viele leere Geschaefte und etwas schmuddelige Atmosphaere bestimmen das Bild. Ein Filmteam haelt gerade bevorzugt die Leerstaende fest. Gibt es hier Probleme? Fuer einen Toiletten- und Kaffeestopp kehre ich (ausnahmsweise) bei Starbucks ein. Dort, wo ich jetzt hin fahre, wird es vermutlich keine Toiletten geben. Und die Wege in Moskau sind weit…
Mit der Metro komme ich beim парк победы, zu Deutsch Siegespark, an. Laut Reisefuehrer ist dies die tiefste U-Bahn-Station der Welt – mir kamen andere Stationen wesentlich tiefer vor. Aber ein ausfuehrlicher Besuch der Metro soll erst an meinem letzten Tag folgen.
Im Siegespark befindet sich eine Gedenkstaette zum 2. Weltkrieg, die erst Mitte der 1990er Jahre entstand. Herzstueck ist ein 142 Meter hoher Obelisk, jeweils 10cm fuer jeden Kriegstag. Seine Spitze verschwindet zeitweilig komplett in den tiefen Wolken.
Geht man auf das Denkmal zu, so findet man etwa alle 50 Meter einen Stein mit einem eingemeisselten Kriegsjahr. Der Weg fuehlt sich sehr weit an, bis man endlich vor dem Obelisk steht. Zusaetzlich erschwert der eisglatte Boden den Marsch. Mich erschleicht hier der leise Gedanke, ob beim Bau dieses Denkmals nicht doch Groessenwahn im Spiel war. Der Bau hat ungeahnte Dimensionen, am Platz und dann vor dem Obelisk kommt man sich nur klein und unbedeutend vor.
Direkt an der Metro-Station, in Sichtweite zum Siegespark, steht auch ein Triumphbogen. Pikanterweise erinnert er an die Niederlage Napoleons im Jahre 1812. 1834 wurde der Bogen in der Twerskaja Uliza (der Einkaufsstrasse bei meinem Domizil ums Eck) errichtet. In den 1930er Jahren wurde er wegen Strassenverbreiterungsarbeiten dort abgerissen und 1968 an der heutigen Stelle wieder aufgebaut.
Hinter dem Siegesdenkmal befindet sich auch noch ein Holocaust-Denkmal, das ich allerdings nicht mehr besuche. Wegen des schlechten Wetters sehe ich mir auch die Moskau City nicht aus der Naehe an. Schon der Obelisk verschwindet an der Spitze im Nebel, die Hochhaeuser werden dann auch nicht in voller Groesse zu sehen sein.
Auf dem Weg zu meiner Wohnung* liegt auch der Kiewer Bahnhof. Ich beschliesse, einen Zwischenstopp einzulegen und dort nach einem Internet-Cafe ausschau zu halten. Ich denke mir, dass vielleicht Bahnhoefe eine interessante Gegend fuer Internet-Cafes waeren. Wie die meisten Bahnhoefe in Russland ist auch dieser sehr gepflegt und stilvoll gestaltet. Und siehe da: Neben einer Telefon-Zeile gibt es auch Internet-Plaetze direkt in der Wartehalle. Endlich kann ich fuer 120 Rubel in der Stunde meinen Bericht weiterschreiben. Auch das Anstecken der Kamera ueber USB ist kein Problem. Sehr gewoehnungsbeduerftig ist allerdings die amerikanische Tastaturbelegung z und y sind vertauscht, es fehlen die Umlaute, Sonderzeichen sind nicht an ihrem Platz.
Nun dauert es nur mehr einen Tag bis zur langen Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn. Ich statte dem Jaroslawer Bahnhof noch einen abendlichen Besuch ab. Ich moechte vermeiden, dass ich am naechsten Tag mein Gepaeck zu weit schleppen muss – jeder zusaetliche Meter kostet viel Schweiss. Die Gepaeckaufbewarung wurde besichtigt, auch der Aufenthaltsbereich und nach 20 Minuten dann auch der Zugang zu den Bahnsteigen gefunden.
Dann wird am Abend mit Justin Abschied gefeiert. Wir gehen gemuetlich Abendessen und statten der American Bar einen letzten Besuch ab.
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