Die erste Nacht in der Transsibirischen Eisenbahn liegt hinter mir. Drei Tage führt meine Reise mit dem “Rossija-Express” bis nach Irkutsk in Sibirien. Hier liest Du von meinen Reiseabenteuern von unterwegs. Das Reisetagebuch wurde 2009 unterwegs auf russischen, mongolischne und chinesischen Tastaturen geschrieben – ohne Umlaute. Die Abenteuer kannst Du heute noch genauso in den Zügen erleben, sie sind (fast) zeitlos. Wenn Du aber aktuelle Reisetipps für die Reiseplanung für die Transsibirische Eisenbahn suchst schau bitte auf die Beitrags-Übersicht für die Transsibirische Eisenbahn.
Freitag, 30. Jaenner 2009
Die ersten knapp 1.000 km liegen hinter uns. Diese Distanz haben wir praktisch im Schlaf hinter uns gebracht. Es ist 11:30 Ortszeit, die Uhr wurde schon einmal weiter gestellt, also Moskau +1 Std., Oesterreich +3 Std.
Wie faehrt man in der Trans-Sib?
Wie war die Nacht in der Trans-Sib? Also auf jeden Fall bequemer als im Schlafwagen Wien – Moskau. Bisher hatten wir auf 1.000 km nur drei Halte. Wir gleiten gemuetlich durchs Land, ich denke es sind so an die 100 bis 120 km/h. Die Schienenstoesse sind hoerbar aber nicht unangenehm hart. somit schlaeft man ganz gut. Ich sitze im 2-Bett-Abteil, der hoechsten Wagenklasse. Es gibt auch 4 Betten auf der gleichen Abteilgroesse (Coupe) und auch Grossraumabteile, die Platzkartny genannt werden. Ich glaube aber, dass diese Kategorie im qualitativ hochwertigen “Rossija” nicht angeboten werden.
Lange Zeit war der Zug Nr. 2 “Rossija” der “Paradezug auf der Strecke Moskau – Wladiwostock. Auf Teilstrecken gibt es aber angeblich starke Konkurrenz die Ausstattung und Freundlichkeit des Personals betreffend. Da darf ich mich aber nicht beschweren. Unseren Schaffnerinnen (Provodnizas) versorgen uns gut mit Tee und sind auch freundlich. Unser Abteil ist mit Fernsehen und Radio – beides Bord-Kanaele – ausgestattet. Jede Bett-Ausstattung besteht aus zwei kuscheligen Polster, einer bequemen Decke und einer Tagesdecke. Fuer jeden Gast ist eine Lese- und indirekte Lampe vorhanden. Eine Deckenbeleuchtung erhellt den ganzen Raum. Ausserdem erhaelt jeder Fahrgast ein Hand- und ein Geschirrtuch. Ueber jedem Bett befindet sich auch eine Steckdose um Handies und Co. aufzuladen. 220 Volt, die europaeischen Stecker koennen einwandfrei verwendet werden.
Das Gepaeck verstaut man entweder ueber der Tuer ueber dem Gang oder unter dem Bett. Dort ist der Stauraum zweigeteilt. Einmal gibt es eine Metallkiste, in die man nur durch das Aufklappen des Bettes kommt und einen frei zugaenglichen Bereich. Kleinere Ablagen befinden sich zusaetzlich ueber dem Bett, auf einer kleinen Reling kann man nasse Sachen aufhaengen. Ein Tischchen macht gemuetliches Jausnen moeglich. Die Abteile sind sehr gut beheizt, es ist fast zu warm. Es wird mit Kohle geheizt. Heisses Wasser aus dem Samowar bekommt man rund um die Uhr. Der Tee wird, wie in allen russischen Zuegen, im Teeglas mit Zinnhalter serviert. Besonders schoen auch der Loeffel mit geaetztem Blumenmuster.
Der Reisestil gestaltet sich in den russischen Langstreckenzuegen generell sehr leger. 10 Minuten nach Abfahrt sind die Reisenden schon im bequemen Jogginganzug und Hausschuhen anzutreffen. Die Toiletten sind sauber und Toilettenpapier ist jederzeit verfuegbar. Zartbesaitete sollten allerdings bedenken, dass das Papier einen gewissen “Schmiergelpapiereffekt” aufweist. Ausserdem werden im “Rossija” Sitzauflagen aus Papier fuer die Klobrille angeboten. Auch Seife ist vorhanden. Etwas gewoehnungsbeduerftig ist die die Verwendung des Waschbeckens auf der einen Waggon-Seite: Um Wasser zu erhalten darf man nicht an den Drehknoepfen drehen sondern muss einen Dorn direkt am Wasserhahn hochdruecken.
An dieser Stelle moechte ich darauf hinweisen, dass ich auf meiner Reise bisher ausschliesslich saubere Toiletten in Moskau gesehen habe. Aber gut…Moskau ist Moskau…ich werde Euch berichten, wie’s im Rest des Landes diesbezueglich aussieht.
Auf den Bahnhoefen werden laut Literatur Getraenke und Speisen von Einheimischen verkauft. In Kirow war bei eisigem Wind und Schneetreiben aber nur ein Schlitten mit Kleinigkeiten da. Bis Irkutsk sah ich erst mehr als 4.000 km spaeter die beschriebenen Babuschkas, die ihre selbstgemachten Speisen anbieten. Also ich wuerde mich nicht darauf verlassen. Vermutlich unterliegt das Angebot stark der Jahreszeit. Im Speisewagen bekommt man aber auch ausreichend zu essen und auch die Getraenkepreise sind moderat.
Bei den Halten haben die Schaffner alle Haende voll zu tun. Es muss jedes Mal der Aufgang von Eis frei gemacht werden. Auch die Fahrgestelle werden abgeklopft. Kohle wird in manchen Bahnhoefen zum Heizen angeliefert. Es ist immer was los, denn auch die neuen Fahrgaeste muessen empfangen werden.
Die Zeit verlaeuft im Zug sehr schnell. Manchmal fuehlt man sich zeitlos, das Umstellen der Zeit mehrmals am Tag bereitet mir mit dem Schlafen Probleme. Der Fahrplan wird immer in Moskauer Zeit angezeigt, ich stelle die Uhr aber immer nach Ortszeit um mich an die Zeitumstellung zu gewoehnen. Immer groesser werden die Eisblumen an unserem Fenster. Man bemerkt, dass es immer kaelter wird und wir immer weiter in Richtung Osten fahren.
Willkommene Abwechslung im Tagesablauf: Der Speisewagen
Ich begebe mich am fruehen Nachmittag auf Entdeckungstour durch den Zug. Als die Provodniza merkt, dass ich in den Speisewagen gehe, gibt sie mir einen Zettel mit. Eine erfreuliche Ueberraschung: Bei meiner Fahrkarte ist das Essen inbegriffen!
Ein Waggon trennt mich vom Speisewagen. Ich ziehe mir schon mal praeventiv warme Schuhe an. Durch einen Windfang kommt man in meinem Waggon in jenen Bereich, wo die Einstiegstueren sind. Dort hat es bereits klirrende Kaelte, obwohl sich hier auch der Ofen befindet. Ich oeffne die Tuer zum Bereich zwischen den Waggons. Vorsichtig balanciere ich ueber die glatten Metallplatten. Durch einen fuenf Zentimeter breiten Spalt sieht man gut ins Freie und auf die Gleise unter mir. Der Fahrtwind weht mir den Schnee ins Gesicht. Tuere hinter mir zu und die andere wieder auf. Dabei gut festhalten (wieviel Haende braucht man insgesamt dafuer?). Geschafft – ich bin im naechsten Waggon. Das ganze noch einmal, dann sitze ich schon gemuetlich im Speisewagen.
Ich finde, dass er sehr schoen eingerichtet ist. Wenn man als Gruppe unterwegs ist, macht es hier an der Bar sicherlich Spass, ein “Feierabend-Bierchen” zu trinken. Ich gebe der Kellnerin meinen Zettel, sie weiss sofort Bescheid. Ich lasse mich ueberraschen was es als Menue fuer mich zu essen gibt.
Derzeit ist wenig Betrieb im Speisewagen und ich habe den Eindruck, dass auch nur wenige Fahrgaeste im “Rossija” unterwegs sind. Genau genommen sitze ich allein hier und betrachte entspannt die vorbeiziehende Landschaft. Sehr viele Birkenwaelder bestimmen die Landschaft, alles ist schoen mit Schnee bedeckt. Im Sommer muss diese Fahrt auch sehr reizvoll sein. Doch zu Sibirien gehoert doch “traditionell” der Winter, oder?
Einige Minuten spaeter bekomme ich auch schon mein Essen: Gebratenes Heuhner-Schnitzel mit Nudeln, Mais-Salat, Tomate und Gurke. Alles auf einem Teller. Mir schmeckt’s. Ich habe mir natuerlich kein 5-Sterne Menue erwartet. Die Art der Praesentation auf dem Teller erinnert mich stark an jene im rumaenischen Speisewagen. Die naechsten Tage gibt es dann noch Schweinefleisch und Fisch, einmal mit Pueree und einmal mit Kartoffeln, aber immer mit Gurke und Tomate. Alles ist gebraten, allerdings nicht mit krosser Kruste, wie bei uns ueblich. Auch die gebratenen Kartoffeln sind eher weich. Aber schmeckt trotzdem gut – andere Laender, andere Sitten. Durchaus ueblich ist auch, dass es rohes Gemuese als Beilage dazu gibt, wie Gurken, Tomaten oder auch Paprika. Nicht nur das Menue sondern auch jene Speisen von der Speisekarte werden auf diese Art zusammengestellt.
Auch Soljanka und Borschtsch stehen auf meiner Speisekarte. Beides sind sehr schmackhafte und saettigende Suppen. Auch im Speisewagen wird die Soljanka mit dunklen Oliven zubereitet. Bei den Suppen gibt es auch regional unterschiedliche Zubereitungsarten. Bei meinem “Moskauer” Borschtsch (laut Speisekarte) war der Anteil der roten Rueben eher gering. Mal sehen, ob es die Suppe auch noch in einem intensiveren Rot gibt…
Als ich bereits beim Nachtisch-Kaffee angelangt bin, kommt der Koch zu mir und beginnt mir gleich allerhand in Russisch zu erzaehlen. Auch, dass derzeit sehr wenig los sei und im Sommer dafuer viele Touristen und Gruppen bei ihm essen. Jetzt scheint es ihm hingegen langweilig zu sein. Ich frage (scheinheilig) ob er in der Kueche mit Gas kocht – hoere aber im Hintergrund das Feuer knistern. Bevor man umstaendlich erklaert, sind wir auch schon auf Kuechen-Besichtigungstour. Ein grosser Tischherd, wie bei uns in den Bauernhaeusern, ist das zentrale Element der Kueche. Die Temperatur ist entsprechend hoch in dem kleinen Raum. Grosse Toepfe stehen drauf, dort ist die Suppe drinnen. Dann gibt es noch eine Arbeitsflaeche und natuerlich auch Waschgelegenheiten. So stelle ich mir eine richtige Zug-Kueche vor, wo man noch richtig kocht. Traurig, dass bei uns nur mehr “Plastik-Essen” im Zug serviert wird, das hat keinen Charme.
Die naechsten Tage besuche ich mittags und abends den Speisewagen – ein Ratscherl mit dem Koch darf hier nie fehlen. Der freut sich immer, wenn er mich sieht und gruesst schon von weitem aus der Kueche heraus.
Mittlerweile wird es abend und ich spuere, es wird draussen immer kaelter. Besonders am Abend entsteht auf den Bahnsteigen eine besonders mystische Stimmung. Es ist kalt, der Wind weht und aus den kleinen Schornsteinen der Waggons steigt der Rauch auf. Es riecht nach Kohle-Rauch am ganzen Bahnhof – ein hauch von Nostalgie. Ein Geruch, den man bei uns nur noch selten in der Nase hat.
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Dietmar Koschier says
Ein toller Reisebericht! :)