Als kleiner Junge habe ich es zum ersten Mal im “Panoptikum” als verrückte Neuvorstellung aus Japan gesehen: Das Kapselhotel. Menschen schlafen im fernen Japan anscheinend in einer Art Schließfach. Schon damals war klar: Ich möchte auch einmal in einem Kapselhotel übernachten. Einige Zeit hat es gedauert, solch ein verrücktes Hotel zu buchen. Auf meiner Japanreise hat sich dieser Kindheitstraum nun erfüllt: Ich habe ein Kapselhotel in Tokio* gebucht.
Inhalt:
Einchecken im Kapselhotel
In Japan sind kurzfristige Hotelzimmer oft rar. Vor allem in der Hauptsaison sollte man bereits im voraus sein “Zimmer” im Kapselhotel buchen. Mein Kapselhotel liegt im Shopping- und Unterhaltungsviertel von Shinjuku in Tokio sehr verkehrsgünstig nur wenige Minuten vom Bahnhof Shinjuku entfernt.
Der Check-In im Kapsel-Hotel verläuft wie in anderen Hotels auch: Erst – wie in Japan üblich – Schuhe ausziehen und in einem Schließfach einsperren, dann erhält man an der Rezeption den Schlüssel. Der ist aber nur für das Schließfach, in dem das Gepäck untergebracht wird, gedacht. Da das Schließfach verhältnismäßig klein ist, müssen größere Gepäckstücke an der Rezeption abgegeben werden.
Am Schlüssel steht auch die Nummer für die Kapsel zum Übernachten. Ich wundere mich erst, warum das Band mit meiner Kapselnummer 7008 ein Armband ist. Dass dies aber sehr praktisch ist, werde ich etwas später noch erfahren.
Aber erst bin ich neugierig, wie nun mein Hotelzimmer aussieht. Immerhin ist das ja doch ein etwas ungewöhnliches Hotel hier in Japan. Mit dem Aufzug im 7. Stock angekommen schreite ich die Reihen mit den “Schließfächern” ab.
7002, 7004, 7006…immer sind zwei Kapseln zum Schlafen übereinander gestapelt. 7008 – hier bin ich richtig! Die untere Kapsel ist meine. Mein Nachtquartier ist nur mit einem Rollo verschlossen. Mit einer Türe kann man die kleine Schlafkapsel nicht verschließen. Neugierig öffne ich den Sichtschutz und mache in der Kapsel das Licht an.
“Geräumiger als ich dachte”, denke ich und klettere in meine Unterkunft für die kommenden Nächte in Tokio. Liegen ist bequem…
…und auch sitzen ist in der Schlafkapsel problemlos möglich.
Nun hat mich meine kindliche Neugierde gepackt. Ich schließe das Rollo und mache mich mit den weiteren technischen Möglichkeiten im Kapselhotel vertraut. Über das Bedienfeld kann das Fernsehgerät eingeschaltet werden.
Neben den japanischen TV-Sendern kann auch pikanteres Programm gesehen werden. Wer jetzt etwas schärfere Pornoprogramme im Hotel-TV erwartet, den muss ich enttäuschen: Hier wird so ziemlich alles zensiert, was eigentlich einen Sexkanal ausmacht. Aber dafür ist das Programm im Hotelpreis inbegriffen. ;-)
Über das Bedienfeld kann man – neben den mehr oder weniger pikanten Fernsehprogrammen – auch den Wecker und die Lichthelligkeit einstellen. Ach ja – und einen “Emergency-Knopf” für Notfälle gibt es auch.
Ich fühlte mich während meines gesamten Aufenthalts sicher – der Notknopf wird darum ziemlich sicher nicht gebraucht. Ein Spiegel rundet die Innenausstattung der Schlafkapsel ab.
Ursprünglich nur für Männer
Die Kapselhotels konnten ursprünglich nur von Männern gebucht werden. Allerdings gibt es in einigen japanischen Städten mittlerweile auch Kapselhotels für Frauen. Trotzdem sind Männer und Frauen getrennt untergebracht. Ebenso verhält es sich mit den Hygienebereichen. Mein Kapselhotel in Tokio ist mit einem sehr sauberen, gemeinsamen Waschbereich ausgestattet.
Zur Ganzkörperpflege muss man sich an ein traditionelles, japanisches Gemeinschaftsbad gewöhnen. Dort wird – selbstverständlich nackt – zuerst die Dusche auf dem Hocker sitzend benützt. Duschbad bzw. Seife sind vorhanden. Ist man äußerlich sauber, darf der Badebereich mit Whrilpool (sehr heißes Wasser) zur Entspannung benützt werden.
Außerdem steht eine Sauna für die Gäste im Kapselhotel zur Verfügung.
Alle Hygieneartikel vorhanden
Mein Kapselhotel in Tokio – Shinjuku ist so ausgerüstet, als würde man ohne Gepäck ankommen. Es stehen Handtücher und ein Yukata (unkomplizierter Hausanzug und Schlafanzug zugleich) ebenso zur Verfügung, wie Seife, Einwegrasierer oder ein sterilisierter Kamm. Die meisten Gäste sind nach dem Bad nur noch bequem im Yukata gekleidet. Nachdem dieses Kleidungsstück nur über eine kleine Tasche verfügt, ist das Armband mit dem Schlüssel praktisch. Auch beim Baden kann er nicht verloren gehen.
Im Restaurant und Aufenthaltsbereich im 4. Stock werden kleine Speisen und Getränke angeboten. Ist die Küche kalt stehen Speise- und Getränkeautomaten zur Verfügung.
Im 4. Stock können sich müde Körper auch massieren lassen.
Die Nacht im Kapselhotel
Insgesamt habe ich vier Nächte im Kapselhotel verbracht. Ehrlich gesagt hatte ich etwas Sorge, dass es sehr laut und die Nächte unruhig sein könnten. Obwohl die Kapseln nur einen Sichtschutz haben, verliefen die Nächte sehr ruhig. Trotzdem: Man hört hier jeden “Pfurz” (im wahrsten Sinne des Wortes) durch die dünnen Wände. Ich habe für solche Fälle Ohropax (Ohrstöpsel) präventiv dabei.
Aber auch am Wochenende, an dem deutlich mehr Gäste einchecken, konnte ich sehr gut schlafen. Anscheinend werden die verschiedenen Gästeschichten nach Stockwerken aufgeteilt. Spät ankommende Gäste stören so nicht jene, die schon lange schlafen.
Eine weitere Unsicherheit bei der Buchung war meine Körpergröße: Passe ich in die Kapsel hinein? Die Kapseln sind 190 cm lang, somit können auch die meisten großen Menschen hier angenehm schlafen. Die Breite des Bettes entspricht jener eines normalen Bettes.
Schade finde ich, dass kein kostenloses WiFi, also W-LAN Internet, angeboten wird. Das scheint in Japan noch nicht generell üblich zu sein. Ein kostenpflichtiger Internetzugang ist im Restaurant allerdings vorhanden. In der Nähe befinden sich in Shinjuku außerdem mehrere Internet-Cafes. Auch Steckdosen zum Laden von Handy & Laptop sind nicht verfügbar. Manche Mobiltelefon-Akkus können an einer speziellen Ladestation aufgeladen werden.
Fazit
Wer einmal kein “klassisches” Hotel buchen sondern ein kleines Abenteuer erleben möchte, ist das Kapselhotel in Tokio bestimmt das Richtige. Hier muss man sich auf jeden Fall auf ein anderes Hotelgefühl einstellen. Es ist eine andere Art zu übernachten. Wahrscheinlich würden es einige als verrücktes Hotel bezeichnen. Du solltest in einer Weltstadt wie Tokio unbedingt ein besonderes Hotelabenteuer wagen! Aber es gibt auch noch andere, für Europäer ungewöhnliche Übernachtungen in Japan. Hier findest Du meinen Reisebericht über ein traditionelles, japanisches Hotel – ein Ryokan.
Das verkehrsgünstig gelegene Kapselhotel in Shinjuku (Tokio) kann man übrigens ganz einfach hier buchen*.
Erich says
Ich möchte ja nicht wissen wie es ist, wenn dein Nebenan oder Drüber schnarchende Probleme hat. :D Oder sogar Magenprobleme? *gruselig* Bekommt man ausreichend Luft in so einer Schuhschachtel? Das wär jedenfalls absolut nichts für mich. Ich brauche mindestens 2m Deckenhöhe. Das ist ja schlimmer als Zelten! ;)
Andersreisender says
@Erich: Alles halb so wild. Natürlich wurde auch ein bisschen Geschnarcht – aber so extrem hört man das dann nicht durch. Luft gibt es auch genug durch das kleine Rollo. Das Kapselhotel ist sogar mit Klimaanlage ausgestattet. Aber 2 Meter Deckenhöhe kann es definitiv nicht bieten. Nix für Dich ;-)
Sven says
Allein um in solch einer Kapsel schlafen zu können, würde ich schon den weiten Weg nach Japan auf mich nehmen. Das ist wirklich einzigartig… Und ehrlich gesagt hätte ich mir auf dem Jakobsweg genau dieses Maß an Privatsphäre manchmal echt gewünscht. Gibt es nicht auch einen Pilgerweg durch Japan? ;-)
Hoffe, du hast viel Spaß.
Viele Grüße
Sven
bernhard jenny says
ziemlich crazy! danke für diesen interessanten bericht, werde jetzt öfter vorbeischauen!
Alex says
Willkommen im Kapselhotel.
Bitte steigen sie ein, legen sie den Gurt um, die Reise kann beginnen.
Wie cool ist das denn?! Habe zwar keine Ahnung, was eventuelle Platzangst mit einem anstellen würde, oder falls der Strom weg bleibt, aber aufjedenfall eine klasse Idee und seeehr platzsparend.
Hallo und herzlich Willkommen im Kapselhotel. Wir haben momentan noch 2731 Kapseln frei! :D
Beste Grüße und weiterhin viel Spaß,
Alex
Andersreisender says
@Sven: Es gibt mehrere Pilgerwege durch Japan. Vor allem auf der Insel Shikoku gibt es viele Pilger. Ob es dort auch ein Kapselhotel gibt weiß ich allerdings nicht.
@Bernhard: Willkommen im Andersreisen-Blog! Weiterhin viel Spaß beim “Virtuellen Reisen”.
@Alex: Das mit den 2731 Kapseln könnte hinkommen. Also von Platzangst ist keine Spur – und eigentlich hat man ungefähr gleich viel Platz, wie in einem Stockbett. Also kein Problem mit Platzangst im Kapselhotel.
Frau Shmooples says
Man, war ich erleichtert, als Du schriebst, dass es auch welche für Frauen gibt! :D
Zumindest für eine Nacht würde ich den Spaß auch gern mal austesten wollen. Klingt ja schon recht interessant :)
Andersreisender says
Frau Shmooples: Unbedingt machen! Viel Spaß im Kapselhotel :-)
Sai says
Mein nächster Japanbesuch steht (Kirschblüte 2016), aber ein Kapselhotel für Frauen zu finden erscheint mir unmöglich :(
Gibt es irgendwelche Tricks oder Tipps, wie man als Frau online ein Kapselhotel findet? Hab nur welche gefunden die für den Zeitraum keine Kapseln mehr frei haben, oder aber nur Männer-Kapseln haben und Frauen in ein Zimmer stecken…
Da fühlt man sich als Dame gleich ausgeschlossen :(
Andersreisender says
Sai: Oje… da hast Du mich nun doch am falschen Fuß erwischt. Also ich weiß, dass es Kapselhotels für Frauen gibt – aber wie man die konkret online buchen kann weiß ich nicht. Vielleicht gibt es hier weibliche Mitleserinnen, die Tipps für Kapselhotels für Frauen geben können… *ichhoffe*